Etymologie

Anis

Mhd. anîs n./m., frnhd. anis, enis n./m., nhd. Ánis, Anís m."Pimpinella anisum" ist ab dem 13.Jh. im Hochdeutschen belegt, und zwar einerseits (in begrenztem Umfang) als Speisegewürz (z.B. im Buoch von guoter spîse, um 1350), andererseits als Heilmittel, insbesondere als Mittel gegen Verdauungsbeschwerden (z.B. bei Konrad von Megenberg, um 1350, und im "Deutschen Macer" aus dem 13.Jh.). Im Mhd. und Frnhd. schwankt das Genus je nach Autor zwischen neutrum und maskulin, ab dem 16.Jh. setzt sich dann das Maskulinum durch.
Das Wort ist eine späte Entlehnung, entweder direkt aus spätlat. anīsum "Anis" oder mit Vermittlung des frz. Fortsetzers anis"ds." (EWA 1, 1988: 257f.). Seit dem Mhd. schwanken die Formen zwischen End- und Anfangsbetonung, was sich in den oberdeutschen Mundarten fortsetzt: In Südwestdeutschland ist Ánis, im Badischen auch Énis üblich, während im Bairisch-Österreichischen die Form Anís überwiegt. Die Form mit Anfangsakzent dürfte eine Anpassung an die Default-Akzentuierung im Deutschen sein, die stets auf der Paenultima liegt.
Lat. anīsum n. ist aus spätgriech. ἄνῑσον n. < älter ἄννησον"Anis" übernommen, dessen Herkunft strittig ist. Einige Forscher halten es für eine Variante von griech. ἄνηθον, ἄννηθον, ἄνητον n."Dill" (Lit. bei Beekes 2010: 103 und 107; zustimmend Duden 2001:39). Kluge/Seebold 2011: 46 rechnet mit Polysemie "Dill, Anis" im Griechischen und sekundärer Ausdifferenzierung im Lateinischen, was sich philologisch nicht stützen lässt. Geschmack, Geruch und Verwendungsweise von Anis und Dill sind außerdem sehr unterschiedlich. Jedenfalls aber müssen die beiden griechischen Wörter aus einer Substrat- oder Gebersprache stammen, da sie aus dem Indogermanischen nicht erklärbar sind und die innergriechischen Formvarianten bei einem Erbwort ungewöhnlich wären.

Literatur:
Beekes 2010: Robert S.P. Beekes, Etymological dictionary of Greek, Leiden: Brill.
Duden 2001: Duden, Band 7: Das Herkunftswörterbuch. Etymologie der deutschen Sprache von der Dudenredaktion, 3. Auflage, Mannheim: Bibliographisches Institut.
EWA 1998: Albert L. Lloyd/Rosemarie Lühr, Etymologisches Wörterbuch des Althochdeutschen, Band II: bî - ezzo, Göttingen/Zürich: Vandenhoeck &Ruprecht.
Kluge/Seebold 2011: Kluge. Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, bearbeitet von Elmar Seebold, 25. Auflage, Berlin: de Gruyter.