Etymologie

Freispruch

Freispruch m. „gerichtliches Urteil, das einen Angeklagten freispricht“ ist seit dem 16. Jh. mit dem frühesten ermittelbaren Beleg aus dem Jahre 1569 bezeugt (nach Pfeifer erst seit dem 17. Jh. mit dem Beleg Sein Gewissen sagte ihm den Freispruch gebrauchter Nothwehre (Johann Riemer, Der politische Stock-Fisch, nach DWb, Beleg von 1681). Im DRW s.v. Freispruch findet sich jedoch ein Beleg von 1569: durch der öberkeit desselben orts urteil und freyspruch). Da­ne­ben ist auch das Abstrak­tum Freisprechung in dieser Bedeu­tung nachweisbar, jedoch – anders als im DWb s.v. Freispruch vermerkt – nicht für angeblich erst jüngeres Freispruch, da der älteste Beleg für Freisprechung aus dem Jahre 1600 stammt und somit jünger als Freispruch ist. Zudem ist die Bedeutung des Begriffs Freisprechung zuerst nur „Freilassung eines Leibeigenen“ (alle urkunden ehelicher geburt und freysprechung der leib-eigenschaft (Beleg von 1600, DRW), „Entbindung von Pflichten“ (Das sind gefährliche Menschen, mein Sohn, vor denen man nicht genug auf seiner Hut sein kan: denn was läßt sich nicht alles von dem erwarten, der das, was den Menschen das Heiligste und Ehrwür­digste ist, zum Dekmantel seiner Bübereien macht; der die Bibel, wie der Teufel in der Ver­suchungs­geschichte, zitiert, um hinterlistige Falschheit und Betrügereien zu beschönigen, und dabei den gott­lästernden Wahn hegt, daß eine Religion, welche blos in Worten, blos im Beten und Singen und in einer ängstlichen Beobachtung aller für heilig gehaltenen Zeremonien besteht, ein volgültiges Lösegeld für jede auch noch so große Verschuldung und eine bündige Freisprechung von allen natürlichen und bürgerlichen Pflichten sei! (Joachim Heinrich Campe, Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg 1783, nach DWDS) und im Rahmen von Ausbildung „einen Lehrling nach bestandener Prüfung zum Gesellen erklären“ (im Kompositum Freisprechungsbrief: soll ... der freisprechungsbrief in die handwerkslade ... eingeleget werden (Beleg von 1783, DRW s.v.). Die verbale Phrase jemanden (von einer Schuld gerichtlich) freisprechen ist zuerst in einem Beleg aus dem Jahre 1583 nachweisbar. Im 16. und 17. Jh. sind einige Synonyme des Begriffs Freispruch bezeugt: Entbindung als Antonym von Verur­teilung, Entsprachbrief, Entbrechung und Entbindnis. – Zur Etymo­logie von Spruch s. Einspruch2; frei, ahd. frī, mhd. vrî, stammt mit got. freis, aengl. frēo, frī-, asächs. frī u.a. aus urgerman. *frija- „frei, freigeboren“. Die germa­nischen Adjektive setzen eine uridg. Bildung *prih2-ó- „lieb, vertraut“ fort. Der se­man­tische Übergang von „vertraut, lieb“ zu „frei“ (im Rahmen eines alten Clan- oder Großfamiliensystems) ist auch im Keltischen eingetreten, vgl. kymr. rhydd, akorn. abret. rid sowie gall. rio- „frei“ < uridg. *prih2-. Auffällig ist, dass es im Mittelhochdeutschen und Althochdeutschen keinen festen Begriff für das Konzept „gerichtlicher Freispruch“ gibt.

Literatur:
Deutsches Rechtswörterbuch, online unter http://drw-www.adw.uni-heidelberg.de/drw/.
Kluge, Friedrich 2011: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Begr. Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 25., durchges. und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter.
Kroonen, Guus 2013: Etymological Dictionary of Proto-Germanic, Leiden-Boston: Brill.
Lloyd, Albert L./Lühr, Rosemarie 1988–: Etymologisches Wörterbuch des Althochdeutschen. Bd. 1–. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Wodtko, Dagmar S./Irslinger, Britta/Schneider, Carolin 2008: Nomina im indogermanischen Lexikon. Heidelberg: Winter.
Zair, Nicholas 2012: The Reflexes of the Proto-Indo-European Laryngeals in Celtic, Amsterdam: Brill.

Autorin: Sabine Ziegler