Gucker
Gucker
als Nomen agentis zu gucken "intensiv, angestrengt schauen;
heimlich, aus dem Verborgenen schauen" ist ursprünglich eine "Person,
die guckt", z.B. in cernuus ... ein gucker, der die nase gar aufs buch
legen muß, wann er etwas lesen will, der nichts sehen kann, wann er die nase
nicht gar drauf legt (Corvinus fons latinit. 183., nach DWb) oder ein Instrument zum
Schauen, "Fernglas" oder "Brille", z.B. in gucker nennen
die schiffer ein taschenperspectiv, deren sie beständig einige bei sich führen
(Jacobsson 2, 170a, nach DWb). Erst ab dem Frnhd. ist Gucker zuerst in obd.
Dialekten als Synonym für "Auge" bezeugt. Im sächs. und
schweiz. Dialekt ist eine Intensiv-/Iterativbildung mit Formans -l- bezeugt:
guggeln/guckeln/güggeln "heimlich schauen" (Schweiz. Id. 2,
182). Das Thür. bietet eine Form gückeln/güggeln
"verschmitzt schauen" (ThWb s.v.). Guckauge
ist ein verdeutlichendes Determinativkompositum: ihr gang, ihr zopf, ihr
frischer wuchs: frank alles! nichts geduckt! gukauge blau, das wie ein luchs
durch herz und nieren gukt! (K. Schmidt im Leipz. Almanach d. deutschen
Musen (1779) 251, nach DWb). Das
Englische bietet vergleichbare Wörter:
Engl. to
goggle "starren, schielen, die Augen rollen; mit den Augen suchen"
ist eine Intensiv-/Iterativbildung mit dem Formans l, das auch im sächs.
Dialekt als guggeln (s.o.) vorhanden ist. Dazu stellt sich auch das
Komp. goggle-eye "Person mit glotzenden, schielenden Augen",
das ungefähr dt. Guckauge entspricht (s. o.). Mit der Bedeutung von dt. Gucker
"Auge" lässt sich engl. goggles pl.tant. "Augen"
semantisch direkt vergleichen: Whose
dim Goggles cou'd not bear the Rays of the Sun (18. Jh.); auch die
Bedeutung Gucker "Brille" ist bei engl. goggles zu
finden: The goggles he was obliged to wear over his eyes (19. Jh.; OED
s.v. goggle), dazu dürfte das amerikan. Slangwort googs "Brille"
(OED s.v. goog) gehören. Auch das Nomen
agentis goggler(s) bedeutet "Auge(n)": Her ladyship
... turning her own grey gogglers up to heaven (19. Jh., OED s.v. goggler).
Eine
moderne Prägung ist goggle-box "Fernseher" (wö.: Glotzkasten;
engl. Slang). Hier könnte sich auch Google, der Name der
Internetsuchmaschine, anschließen, falls er eine Kreuzung von goggle "starren,
glotzen; mit den Augen suchen" und googs "Auge" ist. Hdt. gucken ist unter dem
Einfluss des nddt. kieken auch als kucken gesprochen und
geschrieben (EWD s.v. gucken). Die dt. Formen mit Media sind Lenierungen
der ursprünglichen Tenuis. Gucker
ist ein Nomen agentis mit dem Suffix -er von dem Verb gucken.Bei gucken steht die Bedeutung
"heimlich, im/aus dem Verborgenen schauen" („typische äußere
begleitumstände sind häufig angegeben, durch die die bedeutung von gucken in
dem oben erwähnten sinne als angespanntes, neugieriges, heimliches,
verstohlenes sehen charakterisiert wird“, DWb s.v.) im Vordergrund, wie
auch folgende Belege zeigen: ein narr unverschemet allein guckt einem zu dem
fenster nein (Hans Sachs 19, 87), sobald ich von ihnen ging, schlich ich
mich bis vor des Alten Türe und guckte durch das Schlüsselloch, um zu sehen, ob
er schon bei seinem Schreibepult beschäftiget wäre (Gottsched deutsche
Schaubühne 4, 472, nach DWb); Marthe durchs vorhängel guckend (Goethe 14, 142, nach DWb).
Auch mhd. bezeichnet gucken, gücken ein "unerlaubtes, verstohlenes,
neugieriges Schauen": nu gugkent die weib mit begir den mannen zuo dem
hindern (Lexer MhdWB s.v. gucken, gücken). Das schweiz. Guck bezeichnet geradezu auch das "Versteck". Die o. genannten Formen weisen auf
eine westgerman. Wurzel *gukk- mit Gemination, die evtl. auf eine alte n-stämmige
Ableitung zurückzuführen ist, wie sie in obd. Guck, Gugg m. "(heimlicher)
Blick; Winkel, Versteck" (Schweiz.Id. 2, 178 f.) < german. *gug-V-n-/gug-n-
bezeugt ist (zur Gemination vgl. Lühr 1988:191ff.). Gucken ist davon
abgeleitet wie z.B. (ein)sacken von Sack. Die im Engl. und
in einigen dt. Dialekten vorhandene Iterativ-/Intensivbildung mit Formans -l-
beruht eher auf dem Stamm *gug- (dazu unten); dabei ist eine
Intensiv-Geminierung eingetreten und im Dt. die sth. Geminate zur stl. Geminate
geworden, vgl. dazu die Entsprechungen engl. to hobble : dt. hoppeln,
engl. to waggle : dt. wackeln.
Der für das
Germanische anzusetzende Stamm *gug- "aus dem Verborgenen, heimlich
schauen" geht auf eine uridg. Wurzel *gheuĝh-/ghuĝh-
"verbergen, verstecken" zurück, die in LIV²:199 unter der Form g(u)heuĝh-
angesetzt ist, da dort nur indoiranische Formen angeführt sind (aind. Wurzel goh-/guh-;
av. gauz-/guz-, apers. gaud- "verbergen, verstecken,
verheimlichen"). Nach EWAia I, 502, einem Vorschlag Steinbauers
folgend, gehört hierher evtl. auch gr. keuthō, kuth-
"verbergen" < *khuth < khukh-
mit Dissimilation. Wegen des Griech. und der german. Belege muss der Anlaut
eindeutig idg. *gh-, nicht *guh- gewesen
sein (vgl. auch EWD s.v. gucken). Des weiteren kann noch lit. gū̧žti "zudecken’,
lit. gūžinéti "mit kleinen Schritten in gebückter Haltung gehen,
Blindekuh spielen usw." dazu gehören (ALEW I: 383f.).
Literatur:
ALEW = Hock, Wolfgang (Hrsg.): Altlitauisches Etymologisches Wörterbuch. Im Druck. Heidelberg: Winter.
DWb = Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm 1854–1954: Deutsches Wörterbuch.
Bd. 1–16 (und Quellenverzeichnis, 1971). Leipzig: Hirzel. (Nachdruck
der Erstausgabe 1999: Bd. 1–33) München: Deutscher Taschenbuch-Verlag.
Auch als CD-ROM 2004: Der digitale Grimm. Frankfurt am Main:
Zweitausendeins. Auch unter: www.woerterbuchnetz.de.
EWA = Lloyd, Albert L./Lühr, Rosemarie 1988–: Etymologisches Wörterbuch des Althochdeutschen. Bd. 1–. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
EWD = Kluge, Friedrich 2011: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Begr. Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 25., durchges. und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter.
EWAia = Mayrhofer, Manfred 1992–2001: Etymologisches Wörterbuch des Altindoarischen. 3 Bde. Heidelberg: Winter.
Lexer = Lexer, Matthias von 1992: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch.
Nachdruck der Ausg. Leipzig 1872–1878. Stuttgart: Hirzel. Auch in:
Burch, Thomas/Fournier, Johannes/Gärtner, Kurt (Hgg.) 2002:
Mittelhochdeutsche Wörterbücher im Verbund: CD-ROM und Begleitbuch.
Stuttgart: Hirzel, 2002. Auch unter: www.woerterbuchnetz.de.
LIV² = Rix, Helmut/Kümmel, Martin 2001: Lexikon der indogermanischen Verben: LIV; die Wurzeln und ihre Primärstammbildungen.
Unter Leitung von Helmut Rix und der Mitarbeit vieler anderer bearb.
von Martin Kümmel, Thomas Zehnder, Reiner Lipp, Brigitte Schirmer. 2.,
erw. und verb. Aufl., bearb. von Martin Kümmel und Helmut Rix.
Wiesbaden: Reichert.
Lühr, Rosemarie 1988: Expressivität und Lautgesetz im Germanischen. Monographien zur Sprachwissenschaft 15. Heidelberg: Winter. OED = Oxford English Dictionary. www.oed.com.
Schaffner, Stefan 2001: Das Vernersche Gesetz und der innerparadigmatische grammatische Wechsel des Urgermanischen im Nominalbereich. Innsbruck: Inst. für Sprachen und Literaturen. (Innsbrucker Beiträge zur Sprachwissenschaft 103).
Schweiz. Id. = Schweizerisches Idiotikon. unter der URL http://www.idiotikon.ch/.
Steinbauer, Dieter 1989: Etymologische
Untersuchungen zu den bei Plautus belegten Verben der lateinischen
ersten Konjugation. Unter besonderer Berücksichtigung der Denominative. Diss. Altendorf, 1989.
ThWb = Thüringisches Wörterbuch 1996-2006. Akademie-Verlag Berlin.
Autorin: Sabine Ziegler