Haufen
Haufen
m., älter Haufe, „übereinandergeschichtete Dinge, Menge, große Anzahl, Trupp
Bewaffneter“ setzt zwei althochdeutsche Wörter fort: ahd. houf m. (a-St.) „Haufen, Stapel, Grabhügel, Wall“ (8. Jh.) und ahd. hūfo m. (n-St.) „Haufen,
Anhäufung, Hügel, Wall, Zusammenballung, Ansammlung“. Hintergrund ist der Zusammenfall von ahd., mhd. ou und û in nhd. au. Ahd. houf geht
mit asächs. hōp st. m. „Haufen,
Scheiterhaufen, Schar“, mndd. hōp, hop(p)e(n) m., selten n. „Haufe, Anzahl,
Gruppe, Heeresabteilung“, mndl. hoop m.
„Haufen, Stapel“, afries. hāp m.
„Haufe, Schar“, ae. hēap m. „Haufen,
Menge, Gesellschaft, Schar, Truppe, Bande“, auf westgerm. *χau̯pa‑ zurück, dagegen ahd. hûfo mit mndd. hūpe, hūpe(n) m. „Haufen, Anzahl“ auf eine
Variante mit Ablaut westgerm. *χūpan‑.
(Die
nordgermanischen Wörter wie aisl. hópr m.
usw. sind Entlehnungen aus dem Mittelniederdeutschen.) Die Rekonstruktion führt auf uridg. **kou̯Hb-o- (mit lautgesetzlichem Schwund
des Laryngals) bzw. uridg. **kuHb-on-. Der weitere Anschluss
ist schwierig. Naheliegend wäre eine Verwandtschaft mit den bedeutungsgleichen
Wörtern lit. kaũpas, aslaw. kupъ „Haufen“, die jedoch einen anderen
Wurzelauslaut zeigen und ein Rekonstrukt uridg. *kou̯[H]po‑ fordern,
sowie air. cūan „Haufen, Truppe“ (< *ku[H]p-no- oder *kou̯[H]p-no‑).
Im EWA s.v. hûfo wird wegen der Bedeutungskomponente <IST: aus einzelnen Stücken
bestehend> der Anschluss an die Wurzel uridg. *k̂eu̯H- „werfen“
erwogen und auf Parallelen wie lit. kráuju „packe, werfe aufeinander“
neben lit. krūvà „Haufen“ und lat. struere „schichten,
aufeinanderlegen“ neben lat. struēs, ‑is f. „Haufen, bestimmte Menge, Haufen
zusammengefügter Dinge“ verwiesen. Während aber eine Erweiterung mit (ggf.
uridg. *b >) urgerm. *p schwer zu motivieren ist, könnten
Schreibvarianten mit -ph-, die für
beide althochdeutschen Wörter belegt sind, sowie die Variante mndd. hoppen dafür sprechen, dass auch bei den
germanischen Wörtern der Wurzelauslaut ‑p-
war, so dass die alte Verknüpfung mit den baltoslawischen Wörtern und dem
Keltischen doch bestehen bleibt. Für das Altirische ergäbe sich so ein
Rekonstrukt uridg. *kou̯[H]/ku[H]p-nó-,
woran auch mit anderer Wortbildung die baltoslawischen Wörter anschließbar
sind. Fürs Vorurgermanische ist ein hysterodynamisches
Paradigma *kuHp-ón-/kuHp-n-´- anzusetzen.
Aus sekundär
thematisiertem vorurgerm. *kuHp-nó- (vgl.
das Rekonstrukt für air. cūan) konnte lautgesetzlich über
urgerm. *χuƀna‑ die
Variante mnnd. hoppen entstehen.
Diese Entwicklung folgt zum einen der Lex Kluge, die das
Auftreten von Doppelkonsonanten bei n-Stämmen betrifft, wobei Details
umstritten sind, vgl. die Rezension von Lühr 2014: 254–256 zu Kroonen 2011, zum
anderen mit dem Ausfall
des Laryngals der Wetterregel, die besagt, dass vor Doppelkonsonanz und
nachfolgendem Akzent der Laryngal schwindet bzw. Langvokal gekürzt wird. Dabei hat möglicherweise die
Doppelkonsonanz den a-Umlaut
verhindert. *kuHp-ón ist
hingegen in allen Wurzelformen fortgesetzt, die ein langes ū haben (ahd.
hûfo usw.), da hier die Wetterregel nicht wirkte. Die o-Stufe in ahd. houf usw.
setzt indessen vorurgerm. *kou̯Hp‑ó-
fort (vgl. auch das
Litauische). Das Nebeneinander von urgerm. *χūƀ-an-/χuƀ-na- und
*χau̯ƀa‑ führte zu einem Angleich von *χūƀ-an- und
*χau̯ƀa‑ zu westgerm. *χūpan‑ bzw. *χau̯pa‑.
Benennungsmotiv für die
Bezeichnung einer „Gemeinschaft“ ist die bunte Ansammlung von Menschen.
EWA: Lloyd, Albert L./Lühr,
Rosemarie 1988–: Etymologisches
Wörterbuch des Althochdeutschen. Bd. 1–. Göttingen: Vandenhoeck &
Ruprecht, s.vv.
houf, hūfo.
Kluge,
Friedrich 2002: Etymologisches Wörterbuch
der deutschen Sprache. Begr. Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 24.,
durchges. und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter, s.v. Haufen.
Kroonen, Guus 2011:
The Proto-Germanic n-stems. A study in diachronic morphophonology, Leiden-Boston: Brill. (Leiden Studies in
Indo-European; 18).
LIV: Rix, Helmut/Kümmel,
Martin 2001: Lexikon der indogermanischen
Verben: LIV; die Wurzeln und ihre Primärstammbildungen. Unter Leitung von
Helmut Rix und der Mitarbeit vieler anderer bearb. von Martin Kümmel, Thomas
Zehnder, Reiner Lipp, Brigitte Schirmer. 2., erw. und verb. Aufl., bearb. von
Martin Kümmel und Helmut Rix. Wiesbaden: Dr. Ludwig Reichert-Verlag. s.v. *k̂eu̯H-
Lühr, Rosemarie 2014: Rezension zu Kroonen 2011. In:
Glaser, Elvira/Clement, Marja: Niederlandistik
und Germanistik im Kontakt. Jelle
Stegemann zum Abschied. Amsterdam/New York: Rodopi. (Amsterdamer Beiträge
zur Älteren Germanistik; 71), 253-259.
Pfeifer, Wolfgang (Hg.) 1993: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen.
2 Bde. 2., durchges. u. erg. Aufl. Berlin: Akad. Verl., s.v. Haufen.
Autorin: Bettina Bock