Etymologie

Hausrat

Erst ab dem Mittelhochdeutschen ist das am häufigsten ver­wendete und sich ins Neuhochdeutsche fortsetzende Wort Hausrat mit dem Kol­lektivum Hausgerät (siehe unten 2.) bezeugt. Im Mittelhochdeutschen Wörterbuch (BMZ) findet man den Eintrag hûsrât st. m. mit den Übersetzungen „was in einer Haushaltung vorhanden ist, Haus­rat“ und „häus­liche Einrichtung, Hausrat, Haus­geräte“, z.B. in […] daʒ keiserlîche bettegewant von purpurn sîden daʒ dâ wart gesant mit anderm edelme tûren hûsrâte „[…] das kaiserliche Bettzeug aus purpurner Seide, das gesandt worden war mit an­derem edlem teurem Hausrat“. Aus jüngerer Zeit stammt etwa der Beleg Die Güter­wagen fahren den Hausrath des neuen Pfarrers nach Hukelum. Das auf frühneu­hoch­deutschen Manuskripten fußende Lateinisch-Deutsche Glossar von Die­fen­­bach bietet für hûsrât, hausrat die lat. Entsprechungen utensile „brauch­bare Dinge, beson­ders Lebensmittel, Geräte“, domicilium „Wohnsitz, Wohnung inkl. Aus­stattung“ und supellex „Hausrat, Haus­gerät, Ausstattung“. Hausrat bezeichnete ursprünglich nur den beweglichen Besitz; aus manchen jüngeren Belegen ab dem 17. Jh. geht jedoch hervor, dass wohl ab und zu jeglicher Besitz ge­meint sein konnte, vgl. den folgenden Beleg Verwunderen sich die Niederländer über die tulipanen oder ihr gemäl, ich meine letztlich kein schönern haußraht zu sein, als ein acker mit weizen und anderm korn beschwehrt, ein stall mit schafen und herden vollgefüllt, oder ein trüchlein mit dukaten und reichsthalern beladen.
Das Simplex rât ist zwar schon ab dem Althochdeutschen bezeugt, doch nicht in der Bedeutung „Hausrat“. Auch die bei diesem Wort überaus zahlreichen Glossenbelege haben bei keinem der entsprechenden lateinischen Wörter die Bedeutung „Haus­rat“. hûsrât enthält den zweiten Bestandteil -rāt, der auch als selbständiges Wort ahd., mhd. rāt st. m. (a-St.), nhd. Rat „Rat, Plan, Beschluss; Vorrat, Ertrag“ bezeugt ist und samt as. rād, aengl. rǣd, afries. rēd „Rat, Beratung, Entscheidung; Vorteil, Gewinn“ zu einer german. Wurzel *rēd- „(be)raten; Vorsorge treffen“ aus uridg. *reh1dh- „erfolgreich durchführen“ (auch in ai. rādhati „bringt zustande“, aksl. ne-roditi „nicht be­achten“, air. ráidid „sagt, spricht, erwähnt“) gestellt werden kann.
hûsgeræte: Der zweite Kompositionsbestandteil ist schon im Althochdeutschen als girāti st. n. (ja-St.) „Rat, Beschluss,. Absicht, Einsicht“, as. girādi, mhd. geræte „Rat, Beschluss; Vorrat, Vorsorge, Ausrüstung“ bezeugt. Diese Formen und der nhd. Fort­setzer Gerät sind eine Kollektivbildung zu Rat.

Literatur:
Goebel, Ulrich/Reichmann, Oskar 1986–: Frühneuhochdeutsches Wörterbuch. Begr. von Robert R. Anderson, Ulrich Goebel, Oskar Reichmann. Bd. 1–. Berlin u.a.: de Gruyter.
Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm 1854–1954: Deutsches Wörterbuch. Bd. 1–16 (und Quellenverzeichnis, 1971). Leipzig: Hirzel. (Nachdruck der Erstausgabe 1999: Bd. 1–33) München: Deutscher Taschenbuch-Verlag. Auch als CD-ROM 2004: Der digitale Grimm. Frankfurt am Main: Zweitausendeins. Auch unter: www.woerterbuchnetz.de.
Kluge, Friedrich 2011: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Begr. Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 25., durchges. und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter.
Kroonen, Guus 2013: Etymological Dictionary of Proto-Germanic, Leiden-Boston: Brill.
Lloyd, Albert L./Lühr, Rosemarie 1988–: Etymologisches Wörterbuch des Althochdeutschen. Bd. 1–. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Mittelhochdeutsches Wörterbuch. Mit Benutzung des Nachlasses von Georg Friedrich Benecke ausgearbeitet von Wilhelm Müller und Friedrich Zarncke. 3 Bde. Leipzig 1854-1866. Online auch unter http://woerterbuchnetz.de/BMZ/
Matthias Lexer: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. 3 Bde. Leipzig 1872-1878.
Pfeifer, Wolfgang (Hg.) 1993: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2 Bde. 2., durchges. u. erg. Aufl. Berlin: Akad. Verl.
Rix, Helmut/Kümmel, Martin 2001: Lexikon der indogermanischen Verben: LIV; die Wurzeln und ihre Primärstammbildungen. Unter Leitung von Helmut Rix und der Mitarbeit vieler anderer bearb. von Martin Kümmel, Thomas Zehnder, Reiner Lipp, Brigitte Schirmer. 2., erw. und verb. Aufl., bearb. von Martin Kümmel und Helmut Rix. Wiesbaden: Reichert.

Autorin: Sabine Ziegler