Etymologie

Kresse

Nhd. Kresse f., mhd. kresse swm/f., ahd. kresso, kressa m./f. n-Stamm hat Entsprechungen in den anderen germ. Sprachen, as. kresso m., mndd. kerse f., ae. cerse, cresse < urgerm. *krasōn/an-. Nach EWA 2013: 778f. (mit älterer Lit.; ähnlich, aber vorsichtiger Pfeifer 1993: 732) ist dieses urgerm. Wort als Verbalableitung zu idg. *gras-/gres- „fressen, verschlingen“ zu deuten, weil die Pflanze roh gegessen wird (zur Nutzung vgl. LexMA 1487). Demnach bestehe ein Zusammenhang mit ae. crās „Leckerbissen“ und aisl. krás „Leckerbissen“ < urgerm. *krēsō-. Das Benennungsmotiv bleibt freilich blass, aber Alternativvorschläge fehlen bislang; die lautlich allenfalls mögliche Verbindung mit urgerm. krese/a-„kriechen“ ist noch weniger plausibel, da keine der in Frage kommenden Pflanzen eine Kriechpflanze ist.
Kluge/Seebold 2011: 540 erwägt Anschluss an lett. griêzîgs „scharf, schneidend“, das jedoch Ableitung zum Verb lett. griezt„schneiden“, lit. gríež-ti ds. < urbalt. *griež- < *greiž- ist. Dieses Verb geht aber mit einer nur innerbaltischen Wurzelerweiterung *- ǵ-auf idg. *ger- „schneiden“ zurück (Karulis 1992: s.v.; ALEW 1, 2015: 364) und lässt sich mit urgerm. *krasōn/an- nicht zusammenbringen. Der Ansatz des idg. Verbs ist im Übrigen strittig, da womöglich nur *gerbh- „einritzen, einkerben“ anzusetzen ist (LIV 1998: 165).
Ein ahd. Adjektiv kresso „scharf“, das in einigen populärwissenschaftlichen Darstellungen (z.B. https://de.wikipedia.org/wiki/Gartenkresse#Etymologie) als Basis angegeben wird, existiert nicht. Womöglich beruht die Angabe auf einer missverstandenen Angabe bei Adelung 1796: 1773: „Da so wohl die Gartenkresse als auch alle übrige Pflanzen, welche den Nahmen der Kresse führen, sich durch ihren scharfen bittern Geschmack unterscheiden, so ist es sehr wahrscheinlich, daß dieses Wort vermittelst des vorgesetzten Gaumenlautes aus dem noch im Oberd. üblichen räß, scharf von Geschmack, bitter, gebildet ist, daher auch im Angels. der Senf Cressae genannt wird.“ Die Verknüpfung mit räß ist aber lautlich ausgeschlossen.

Literatur:
Adelung 1796: Johann Christoph Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2, Leipzig: Breitkopf und Sohn.
ALEW 2015: Wolfgang Hock (Hg.), Altlitauisches etymologisches Wörterbuch, Band 1: A-M. Hamburg: Baar.
Bertsch 1947: Franz und Karl Bertsch, Geschichte unserer Kulturpflanzen. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.
EWA 2013: Rosemarie Lühr, Etymologisches Wörterbuch des Althochdeutschen Band V: iba - luzzilo, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Karulis 1992: Konstantīns Karulis, Latviešu Etimoloģijas Vārdnīca, Rīga: AVOTS.
Kluge/Seebold 2011: Kluge. Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, bearbeitet von Elmar Seebold, 25. Auflage, Berlin: de Gruyter.
LdM 1487f.
LexMA:Lexikon des Mittelalters, München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 2002.
 
LIV1998: Helmut Rix u.a., Lexikon der indogermanischen Verben. Die Wurzeln und ihre Primärstammbildungen, Wiesbaden: Reichert Verlag.
Pfeifer 1993: Wolfgang Pfeifer, Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, 2. Auflage, Berlin: Akademie-Verlag.