Etymologie

Meister

Meisterschaft, eine Ableitung mit dem Abstrakt- und Kollektivsuffix -schaft zu Meister, ist wie dieses Wort schon im Althochdeutschen belegt: meistarskaft st. f. (i-Stamm) „Meisterschaft, Gelehrsamkeit, Kunst, Wissenschaft“ (um 1000) : meistar st. m. (a-Stamm) „Meister, Lehrer, Lehrmeister, Herr, Werkmeister, Künstler“ (8. Jh.). Die Entlehnungsbasis von ahd. meistar, lat. magister, ‑trī m. „Vorsteher, Leiter, Lehrmeister, Lehrer“, ist Oppositionsbildung mit dem Suffix ‑tero- zum Komparativ magis „größer“ (*magisteros). Antonymisch dazu steht lat. minister, ‑trī m. „Diener, Gehilfe“ zum Komparativ minus „kleiner“ (*minosteros), vgl. dt. Minister „Mitglied der Regierung eines Staates oder Landes, das einen bestimmten Geschäftsbereich verwaltet“, eine Entlehnung des 17. Jh. aus gleichbedeutendem frz. ministre, das weiter auf lat. minister zurückgeht. Dahinter verbirgt sich die Vorstellung vom „Staatsdiener“ (vgl. De Vaan s.v. minor; Duden s.v. Minister; Pfeifer s.v. Minister), vgl. auch Administration. Das althochdeutsche meistar ist wahrscheinlich aber keine unmittelbare Übernahme des lateinischen magister, sondern eher Entlehnung aus einer frühromanischen Form mit bereits geschwundenem mittlerem ‑g-, etwa *ma(i̯)estro, *ma(i̯)istru, vgl. afrz. maistre, maestre, prov. maestre, nfrz. maître, ital., span. maestro, port. mestre, rum. măiéstru (vgl. auch Bürgermeister).
Die althochdeutschen Belege scheinen dafür zu sprechen, dass Meisterschaft ursprünglich nur Abstraktbildung zur meistar war, also *„das Meisterhafte“; es finden sich jedoch im Mittelhochdeutschen auch Belege mit Kollektivbedeutung, vgl. nim zu dir dîne meisterschaft, die du weist an hôher kraft gelart wesen in der ê (Pass. K. 71,8, BMZ s.v. meisterschaft) „nimm zu dir deine Meisterschaft, von der du weißt, dass sie bislang in hohem Maße gelehrt war“, wo die meisterschaft die „Gesamtheit der Gelehrten am Hof des Kaisers“ bezeichnet. Von hier aus trat die Bedeutung „Organisation der Meister, Zunft“ metaphorisch hinzu, vgl. daz nieman werben noch tuon sol enhein zunft noch meisterschaft noch geselleschaft mit eiden mit worten noch mit werken (zürch. richtebr. 43, BMZ s.v. meisterschaft) „dass niemand weder für eine Zunft oder Meisterschaft oder Gesellschaft mit Eiden, mit Worten oder Werken werben oder etwas tun soll“..
Dieser Beleg zeigt aber zugleich die starke Synonymenkonkurrenz auf, in der sich meisterschaft als Bezeichnung für die Zunft befand.

BMZ: Benecke, Georg Friedrich 1854–1861: Mittelhochdeutsches Wörterbuch. Ausgearbeitet von W. Müller und F. Zarncke. 3 Bde. Leipzig: Hirzel. Auch in: Burch, Thomas/Fournier, Johannes/Gärtner, Kurt (Hgg.) 2002: Mittelhochdeutsche Wörterbücher im Verbund: CD-ROM und Begleitbuch. Stuttgart: Hirzel, 2002. Auch unter: www.woerterbuchnetz.de.
De Vaan, Michiel 2008: Etymological Dictionary of Latin and the other Italic Languages. Leiden, Boston: Brill. (Leiden Indo-European Etymological Dictionary Series 7), s.vv. magnus, minor.
Duden: Wissenschaftlicher Rat der Dudenredaktion (Hg.) 2000: Duden – Das große Wörterbuch. Mannheim: Verlag Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG. CD-ROM auf der Basis der 3., völlig neu bearb. und erw. Auflage der Buch-ausgabe in 10 Bänden (1999).
EWA: Lloyd, Albert L./Lühr, Rosemarie 1988–: Etymologisches Wörterbuch des Althochdeutschen. Bd. 1–. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, s.v. meistar.
Kluge, Friedrich 2002: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Begr. Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 24., durchges. und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter, s.v. Meister.
Pfeifer: Pfeifer, Wolfgang (Hg.) 1993: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2 Bde. 2., durchges. u. erg. Aufl. Berlin: Akad. Verl., s.vv. Meister, Minister.

Autorin: Bettina Bock