Etymology

Riegel

Das Wort Riegel m. „längliches Holz- oder Metallstück, das quer vor Türen, Tore, Fenster u.a. gelegt werden kann, so dass diese verschlossen sind“ ist seit dem 11. Jh. belegt: ahd. rigil st. m. (a-St. ?) „Türriegel“. Die Her­kunft ist umstritten. Für eine Klärung ist zunächst die Beleglage im Althochdeutschen selbst zu betrachten: rigil glossiert lat. obiex „Riegel“, pessulus „Riegel“, repagulum „Quer­balken, Türriegel“ und vectis „Hebel, Türriegel“; die Grundbedeutung „(Tür-) Riegel“ ist damit gesichert. Daneben findet sich ein Kompositum rigilstab, das lat. linea „Linie“ und norma „Norm“ glossiert. Hinsichtlich der Bedeutung steht diesem rig­stab/rigistab/rihstab st. m. (a-St.) nahe, das lat. examussis „Lineal; Richtschnur“, re­gula „Richtschnur; Messlatte; Latte; Schieber“ und gleichfalls linea und norma glos­siert. Damit bietet es sich an, rigilstab enger mit rigstab zu verbinden und das Vorder­glied rigil im ersten Kompositum mit dem Einfluss von lat. regula (ebenfalls althoch­deutsch seit etwa 800 bezeugt) und Kontamination mit rigil zu erklären. Gegen die Ver­bindung von ahd. rigil mit ahd. rīhan „reihen, winden, flechten, umgürten“ als „Strick, der zum Türverschluss um Pflöcke o.Ä. gewunden wird“ sprechen die an­deren westgermanischen Belege: mndd. rēgel „Riegel, Querbalken, Querstange, Latte, Reling“, mndl. rēghel „Planke, Latte, gerade Linie, Lineal“, rijghel, rijchel „Riegel, Lat­te“, mndl. ndl. richel „Leiste, Querbalken, Lattengestell, Bord, Sims“. Sie sprechen da­für, dass der Riegel ursprünglich ein Holzstück war. Semantisch empfiehlt sich mit Blick auf das Material der Anschluss an Rahe „waagerechte Stange am Mast“. Ur­german. *rahō- f. „Stange“ kann mit lit. rė́klės f. Pl. „Stangengerüst“ (mit Dehnstufe) ver­bunden und eine Wurzel uridg. **rek-„Querholz; ein Holz quer stellen (?)“ er­schlossen werden. Auch lit. ràkti „sich schließen“ lässt sich hier anschließen. Weiter bie­tet sich der Anschluss an gr. arkéō „ich wehre ab, helfe“, lat. arcēre „verschließen“, heth. har(k)- „haben, halten“ an. Die zugrunde liegende Wurzel wäre dann *h2erk- oder wegen des Litauischen und Germanischen*h2rek-. Verbal ist die Wurzel mit einem Wurzelpräsens (fortgesetzt im Hethitischen und indirekt in osk. tríbarakkiuf „Ge­bäude“, das ein *trībarkom, wörtlich „ein Haus schließen > errichten“, voraus­setzt) und einem Präsens der Form *h2r̥k-éi̯e/o- (vgl. den lateinischen Fortsetzer) be­zeugt. Die Bedeutung „ein Holz quer stellen (?)“ könnte eine Bestätigung in gr. arkánē f. „Stange zum Befestigen der Fäden eines Kettbaums“ (Hesych s.v.) finden. Die Be­deutungen „schließen“, „abwehren“ und „halten“ ergeben sich durch metonymische Über­tragung. Ai. argaḍa/argala m. „Riegel, Bolzen“, das mitunter auch herangezogen wird, ist nach EWAia ebd. kein Erbwort. Pfeifer schlägt wegen der ausschließlich westgermanischen Bezeugung Entlehnung aus lat. rēgula f. „Leiste, Latte, Stab, Schieber; Richtscheit, Lineal, Regel“ vor. Allerdings wäre wegen des Vokalismus von einer vulgäralateinischen Form *regula mit verkürztem Stammvokal auszugehen und das maskuline Genus bleibt ungeklärt. Damit ist keine Verbindung mit nhd. Regal (siehe dort) gegeben.
Benennungsmotiv für die Grundbedeutung und die Bezeichnung im Wortfeld „Haus“ ist: <IST: Querholz>.

EWAia: Mayrhofer, Manfred 1992–2001: Etymologisches Wörterbuch des Altindoarischen. 3 Bde. Heidelberg: Winter.
Kluge, Friedrich 2002: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Begr. Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 24., durchges. und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter, s.v. Riegel.
LIV: Rix, Helmut/Kümmel, Martin 2001: Lexikon der indogermanischen Verben: LIV; die Wurzeln und ihre Primärstammbildungen. Unter Leitung von Helmut Rix und der Mitarbeit vieler anderer bearb. von Martin Kümmel, Thomas Zehnder, Reiner Lipp, Brigitte Schirmer. 2., erw. und verb. Aufl., bearb. von Martin Kümmel und Helmut Rix. Wiesbaden: Dr. Ludwig Reichert-Verlag, s.vv. *h2erk/k̂-; *regh-.
Pfeifer, Wolfgang (Hg.) 1993: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2 Bde. 2., durchges. u. erg. Aufl. Berlin: Akad. Verl., s.v. Riegel.
Pokorny, Julius 2002: Indogermanisches etymologisches Wörterbuch. 2 Bde. 4. Aufl. Bern, Stuttgart: Francke, s.v. areq-.
Untermann, Jürgen 2000: Wörterbuch des Oskisch-Umbrischen. Heidelberg: Winter, s.vv. tríbarakavúm, tríbarakkiuf, trííbúm.

Autorin: Bettina Bock