Schiff
Eine spezielle
Berufsgenossenschaft stellt die Schifferschaft
dar, deren durchsichtige Wortbildung mit dem Kollektivsuffix ‑schaft auf „Gemeinschaft der Schiffer“
weist.
‒
diese
schifferschaft sol … erberlich von eynem an den andern fallen, nemlich das eyns
yeden hauptschiffers sune das sol … erben (1501 ZGO. 11 (1860) 268, DRW
s.v. Schifferschaft) „diese Schifferschaft soll erblich von
einem an den anderen fallen, in dem Sinne, dass der Sohn eines jeden
Hauptschiffers das erben soll“
‒
von allen
einnahmen der schifferschaft gehört die hälfte der herrschaft (1555 Vetter,
ORhein 27, DRW s.v. Schifferschaft)
‒
Dem Markgrafen
von Baden lag natürlich mehr am Frieden mit der Schifferschaft, als mit Speyer (A.
Emminghaus, Die Schifferschaft in der Grafschaft Eberstein im unteren
Schwarzwalde, Jahrbücher für Nationalökonomik und Statistik 15 [1870] 73)
Allgemein
üblich war daneben, wie bei anderen Berufen, ein Kompositum mit der
Berufsbezeichnung im Vorderglied und einer Bezeichnung für die
Berufsgenossenschaft im Hinterglied, vgl. Schiffergesellschaft
(17. Jh.), Schiffergilde (17. Jh.),
Schifferinnung (18. Jh.) und Schifferzunft (18. Jh.).
Schiffer
m.
„Schiffsführer, Schiffseigner“ (seit dem 15. Jh. bezeugt) ist Nomen
agentis mit dem Suffix ‑er zu Schiff n. „Wasserfahrzeug“. Dieses Wort
ist schon früh im Deutschen belegt: ahd. skif, skef st. n. (a-St.) „Wasserfahrzeug, Fass, Gefäß“
(8. Jh.). Es hat germanische Verwandte in asächs. skip, mnd. schip,
schep, mnl. scip, scep, nl. schip, aengl. scip,
engl. ship, anord. skip, schwed. skepp, got. skip, die die Rekonstruktion eines urgerm. *skipa-
„Schiff; Gefäß“ erlauben. Varianten wie ahd. sceph oder mndl. scepp- könnten
auf eine weitere urgermanische Form *skippa-
weisen, deren *pp auf Gemination
vor ‑n beruht und zur
Verallgemeinerung von *p führte, so
Lühr 1988: 249 f.,
ablehnend Splett s.v. scif. Dabei
wird gemeinhin eine Verbindung mit lit. skiebiù,
skiebti „dünn schneiden“ und lett. šķibît
„hauen, schneiden“ (< uridg.*skei̯bh-
[so Lühr 2000: 211 mit einer Erklärung zum Vokalismus des Litauischen] /*skei̯b- „schneiden“) angenommen.
Schuhmann 2014: 250 f.
bietet mit seinem Ansatz *skeh2i̯b-
im Prinzip nur ein Transponat (ähnlich wie im IEW, nur mit Laryngal) mit
der kaum belegten Wurzelerweiterung ‑b-. Auf
semantische Probleme geht er gar nicht ein, indem er sowohl für die Wurzel *skeh2i̯- als auch für die mit ‑b‑ erweiterte Wurzel sowie das
lettische Wort eine einfache Grundbedeutung „schneiden“ ansetzt. Ferner muss er
das lettische Wort von lit. skiebiù,
skiebti trennen, da hier im Falle einer laryngalhaltigen Wurzel **skièbti zu erwarten wäre. Für das
Litauische kommt aber auch ‑p- im
Wurzelauslaut in Frage, vgl. Casaretto 2004: 86 mit Fußnote 273. Weiterhin ist
der Ansatz einer Grundbedeutung „schneiden“ zu ungenau. Angesichts einer
Vielzahl von Wurzeln, für die es eine Grundbedeutung „schneiden“ gibt, muss
diese genauer spezifiziert werden. Auch gehen die meisten Vorschläge von einer
ursprünglichen Bedeutung „Ausgehöhltes, ausgehöhlter Baumstamm“ für urgerm. *skip(p)a- aus, die als solche aber
nirgends bezeugt ist. Vielmehr handelt es sich hier wohl um den letzten Rest
einer frühen Etymologisierung durch Jurmann 1862: 388 (Verbindung mit
griech. σκάπτω [skáptō] „graben“). Schließlich ist der Ansatz
von *ske(h2)i̯b- zweifelhaft
(siehe oben). Geht man für die zwei möglichen Wurzeln *sk̂/kei̯bh- und *sk̂/kei̯p-
über die baltischen Verben hinaus (die Tenuis aspirata des ersten
Wurzelansatzes berührt die belegten Formen im Germanischen und Baltischen
nicht), bietet sich zum einen eine Verbindung mit der Wurzel *sk̂heh2i̯- an, die
nach LIV s.v. in folgenden Sprachen bezeugt ist: ved. ‑chyati „schindet,
zieht (Haut) ab“; ?aav. 2.Plural.Imperativ.Medium paitī … siiōdūm Y. 48, 7 „haut ein auf …!“; ?griech.
σχάω (sxáō) „ritze
auf, öffne, lasse los“. Ferner ist air. scían f. „Messer“ hierherzustellen. Diese
Wörter weisen auf eine Grundbedeutung „mit etwas Scharfem etwas einschneiden“.
*sk̂(h)eh2i̯bh-
wäre dann eine Sekundärwurzel mit Erweiterung ‑bh-. Wurzelerweiterungen sind aber umstritten.
Möglicherweise handelt es sich um grammatikalisierte Hilfs- oder
Funktionsverben. *-bh- könnte
z. B. auf *bhu̯eh2- „werden,
entstehen, wachsen“ (vgl. z. B.
das deutsche Hilfsverb werden) oder *bher- „tragen“ zurückgehen
(vgl. z. B. die deutschen
Funktionsverbgefüge etwas Rechnung tragen,
etwas zur Schau tragen).
Auch
ein Zusammenhang mit griech. σκίπων (skpōn,
-ōnos) m. „Stab, Stock“ und lat. scīpiō,
-ōnis m. „Stab“ (und weiter uridg. *sk̂/kiHp-) ist zu erwägen.
Bei
der weiteren Etymologie muss man berücksichtigen, dass es im Germanischen
weitere Wörter für „Wasserfahrzeug“ gibt, vgl. dt. Boot und Nachen. Eine
derartige Synonymie macht es wahrscheinlich, dass die Wasserfahrzeuge sich in
ihrer Bauweise und Verwendung unterschieden, so dass die unterschiedliche
Begrifflichkeit eine Rechtfertigung erhält. Nach der frühen Form des
ausgehöhlten Baumstammes war ein wichtiger Schritt im Schiffsbau die
Entwicklung der Bauweise mit Spanten und Planken, ferner der Bau eines Kiels.
Ein entscheidender Fund in diesem Zusammenhang war das Hjortspringboot (ca. 350
v.Chr.).
Damit
ergeben sich nun folgende Erklärungsmöglichkeiten:
1. Schiff gehört zur Sekundärwurzel *sk̂(h)eh2i̯bh-,
mit der ein „ritzendes Schneiden mit etwas Scharfem“ bezeichnet wird (falls
zugehörig, würde das litauische Verb mit der Bedeutung „auftrennen, ein Loch
machen“ [Fraenkel s.v.] dazupassen). Das Nomen ist dazu eine schwundstufige
Ableitung mit n-haltigem Suffix: vorurgerm. *sk̂(h)ibh-nó- (mit
Schwund des Laryngals gemäß der Wetterregel, nach der vor Doppelkonsonanz und
nachfolgendem Akzent der Laryngal schwindet bzw. Langvokal gekürzt wird) > urgerm.*skiƀ-na- > *skippa-/skipa-
(mit grammatischem Wechsel nach Lex Kluge, die das Auftreten von
Doppelkonsonanten vor –n betrifft,
wobei Details umstritten sind, vgl. die Rezension von Lühr 2014: 254–256 zu
Kroonen 2011), ein substantiviertes Verbaladjektiv mit der Grundbedeutung
„Eingeschnittenes“. Diese kann sich auf das Aushöhlen eines Baumes beziehen.
Ist aber das Schiff nach der Technik des „Vernähens der Planken“ benannt, wie
sie z. B. beim
Hjortspringboot mit vorgestochenen Löchern zur Anwendung kam, läge eine
charakterisierende Bildung *sk̂(h)ibh-(H)ón-,
Gen. *sk̂(h)ibh-nés-
„das durch Einstechlöcher Charakterisierte, das Einstechlöcher Habende“
vor.
2. Schiff gehört zur Wurzel *sk̂/kiHp-. Falls die litauischen Wörter skiepas „Pfropfreis, Setzling“, skiepti „trennen, eine Öffnung machen“
auf ‑p trotz des ungewöhnlichen
Akzents (zu erwarten wäre **skièp-)
hier anzuschließen sind (vgl. noch lit. skypata
„kleines Stück, [dialektal] Splitter“), wäre palatales k̂ auszuschließen. Schiff kann
nun, ausgehend von einer Grundbedeutung „Holzstab“, auf eine charakterisierende
Bildung vorurgerm. *skiHp-(H)ón-, Gen. *skiHp-(H)nés
> *skippa/skipa- (mit Schwund
des Laryngals gemäß Wetterregel und Lex Kluge) „durch Holzstäbe charakterisiert, Holzstäbe haben“ zurückgehen.
Die Benennung wäre demnach nach den Spanten erfolgt.
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