Etymologie

Schranne

Schranne f. „Gestell einer Bank, eines Verkaufsstandes; Bank; Ver­kaufsstand, -tisch“ ist seit althochdeutscher Zeit gut bezeugt: ahd. scranna, skranna st. und sw. f., skranno sw. m. „Bank“ glossieren lat. mensa „Tisch“, mensa nummularii „Tisch der Geldwechsler“ und scamnum „Bank“, mhd. schranne „Bank, besonders die Bank des Richters und der Rechtsprecher; Sitzungsplatz für ein versammeltes Gericht; Gericht“, z.B. an die schran sitzen zu einem richter  Die Variante Schrange ist seit dem 12. Jh. belegt und breitet sich vor allem im niederdeutschen Sprach­gebiet in der Be­deutung „Bank; (speziell) Fleischbank; Fleischmarkt“ aus. Diese Variante ist möglicherweise eine Umbildung nach der auch in der Dichtung häufigen Kollokation *lange schranne > lange schrange „„lange Bank“, so z.B. in er schuof daz man bereit / datz Veltkirchen eine schrangen / wît unde langen „er veranlasste, dass man bereite / zu Feldkirchen eine Schrange, / weit und lange“. Überhaupt scheinen bei diesem gerade in älterer Zeit sehr gut belegten Wort mehrere Varianten vorzukommen, die Reimbildungen darstellen, so etwa auch schrand, schrande zusammen mit dem Präteritum von stehen in das er uf ain schranden stunde „dass er auf einer Bank stand“. Zahlreiche Reime wie etwa sus gie er mit den mannen / ze geriht in die schrannen „Dann geh er mit den Mannen / zum Gerichte vor die Schrannen“ und du tuost mich zwingen und bannen / als ain dieb in ainer srannen, / so der stât an dem gericht „Du zwingst mich so in Deinen Bann / wie einen Dieb vor einer Schrann / der vor dem Gerichte steht“ haben möglicherweise bewirkt, dass sich die Form Schranne durchsetzte.‍ Diese Form ist auch Grundlage für Komposita wie Schrannengericht „Gericht in einem Ge­richts­bezirk“ und Schrannenschreiber „Schrei­ber, Protokollant eines Schrannen­gerichts“. Eine Metathese hat schließlich vor allem in Mittel­deutschen und nieder­deutschen Mundarten zu den Varianten Scharn(e), Schern(e) ge­führt. Das Wort begegnet auch in ital. scranna „Feldstuhl“ und frz. écran „Kamin­schirm“; es fehlt je­doch im Lateinischen, Mit­tel­lateinischen und anderen romanischen Sprachen. Dies deutet darauf, dass die Ent­lehnungsrichtung vom Deutschen zum Romanischen führte. Eine Etymologie ist nicht bekannt; möglicher­weise handelt es sich um eine Ableitung zu der unter Schrank (siehe dort) behandelten Wurzel uridg. *sker-. Heute ist das Wort auf oberdeutsche Mundarten beschränkt.

Literatur:
Goebel, Ulrich/Reichmann, Oskar 1986–: Frühneuhochdeutsches Wörterbuch. Begr. von Robert R. Anderson, Ulrich Goebel, Oskar Reichmann. Bd. 1–. Berlin u.a.: de Gruyter.
Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm 1854–1954: Deutsches Wörterbuch. Bd. 1–16 (und Quellenverzeichnis, 1971). Leipzig: Hirzel. (Nachdruck der Erstausgabe 1999: Bd. 1–33) München: Deutscher Taschenbuch-Verlag. Auch als CD-ROM 2004: Der digitale Grimm. Frankfurt am Main: Zweitausendeins. Auch unter: www.woerterbuchnetz.de.
Kluge, Friedrich 2011: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Begr. Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 25., durchges. und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter.
Kroonen, Guus 2013: Etymological Dictionary of Proto-Germanic, Leiden-Boston: Brill.
Mittelhochdeutsches Wörterbuch. Mit Benutzung des Nachlasses von Georg Friedrich Benecke ausgearbeitet von Wilhelm Müller und Friedrich Zarncke. 3 Bde. Leipzig 1854-1866. Online auch unter http://woerterbuchnetz.de/BMZ/
Matthias Lexer: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. 3 Bde. Leipzig 1872-1878.
Pfeifer, Wolfgang (Hg.) 1993: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2 Bde. 2., durchges. u. erg. Aufl. Berlin: Akad. Verl.
Rix, Helmut/Kümmel, Martin 2001: Lexikon der indogermanischen Verben: LIV; die Wurzeln und ihre Primärstammbildungen. Unter Leitung von Helmut Rix und der Mitarbeit vieler anderer bearb. von Martin Kümmel, Thomas Zehnder, Reiner Lipp, Brigitte Schirmer. 2., erw. und verb. Aufl., bearb. von Martin Kümmel und Helmut Rix. Wiesbaden: Reichert.
 
 Autorin: Sabine Ziegler