Etymologie

Unterschlagung

Unterschlagung f. „rechtswidrige Aneignung anvertrauter Gelder, Werte o.ä., Ver­untreuung“ ist eine Abstraktbildung zum Verb unterschlagen. Der früheste ermittel­bare Beleg des Sub­stan­tivs in dieser Bedeutung stammt von 1703, der des Verbs von 1648. Das Substantiv ist bereits in mhd. underslac m. „Trennung, Unterschei­dung“ und „trennende Zwischenwand“ bezeugt; änhd. Unterschlag m. zuerst in der konkreten Bedeutung „Trenn­wand, Zwischenwand“ zwi­schen zwei Kammern und „durch eine Trennwand abge­teilter Raum“, dann erst in der Bedeutung „Ver­un­treuung, Diebstahl“.
Das Verb unterschlagen ist ein Präfixverb mit unter- von schlagen. Das Präfix bzw. die Präposition unter hatte im Althochdeutschen eine größere Denotationsbreite als das Gegenwartsdeutsche. Lautlich sind hier zwei etymo­lo­gisch verschiedene Wörter zusammengefallen: ahd. untar „unter, unterhalb“ (lat. infra) vs. untar „zwischen, in, an, bei, von, ab, weg“. Zur Etymologie von Schlag und schlagen s. Totschlag.
Unter­schlag ist somit „Zwi­schen­-Schlag, Ab-Trennung“ und mit dem Komposi­tum Ver­schlag „einfacher, kleiner, aus Brettern gezimmerter, abgeteilter Raum oder Schup­pen“ semantisch und mor­­­phologisch vergleichbar. Im Älteren Neuhochdeut­schen hat sich die Bedeutung von Unterschlag auf „Untreue, Unterschleif, Betrug“ eingeengt und wurde zum Neuhoch­deutschen hin weitgehend durch die deutlichere Suffixbildung Unterschlagung ersetzt. Die Wörter zeigen eine semantische Trennung von *„was da­zwischen ge­schlagen, ab­getrennt ist“ einerseits zu „Zwischenwand, mit einer Zwi­schen­wand abgetrennter Raum“ und andererseits über *„was abgetrennt, verborgen ist“ zu „Veruntreuung, Un­ter­schlagung“.
In der Präposition unter, ahd. untar, mhd. under „unter, zwischen; unten“ sind zwei Ad­verbien / Lokaladpositionen zusammengefallen: 1. uridg. *h1tér „zwischen“ (lat. inter, osk. anter, gall. anter „dss.“; Dunkel 2014/2: 237 rekonstruiert die Form ohne Laryngal) und 2. uridg. *(H)dheri „unten, unterhalb“ (jav. aδairi „unten, unterhalb“; vgl. die Adjektive aind. ádhara- „un­terer“, lat. īnferus „unterer“, gall. andero- „Götter der Unterwelt“; Dunkel 2014/2: 46f. rekonstruiert die Form ohne Laryngal; vgl. aber EWAia I: 66 und RIVELEX I: 148f.).

Literatur:
Dunkel, George E. 2014: Lexikon der indogermanischen Partikeln und Pronominalstämme. 2 Bde. Heidelberg: Winter. 
Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm 1854–1954: Deutsches Wörterbuch. Bd. 1–16 (und Quellenverzeichnis, 1971). Leipzig: Hirzel. (Nachdruck der Erstausgabe 1999: Bd. 1–33) München: Deutscher Taschenbuch-Verlag. Auch als CD-ROM 2004: Der digitale Grimm. Frankfurt am Main: Zweitausendeins. Auch unter: www.woerterbuchnetz.de.
Kluge, Friedrich 2011: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Begr. Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 25., durchges. und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter.
Köbler AhdWb = Köbler, Gerhard: Althochdeutsches Wörterbuch, 4. Auflage, online uter http://www.koeblergerhard.de/ahdwbhin.html.
Kroonen, Guus 2013: Etymological Dictionary of Proto-Germanic, Leiden-Boston: Brill.
EWAia = Mayrhofer, Manfred 1992–2001: Etymologisches Wörterbuch des Altindoarischen. 3 Bde. Heidelberg: Winter.
Pfeifer, Wolfgang (Hg.) 1993: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2 Bde. 2., durchges. u. erg. Aufl. Berlin: Akad. Verl.
Krisch, Thomas 2006: RIVELEX. Rigveda-Lexikon. Band 1: Buchstabe a, unter Mitarbeit von Christina Katsikadeli, Stefan Niederreiter und Thomas Kaltenbacher. Graz: Leykam.

Autorin: Sabine Ziegler