Etymologie

Urteil2

Urteil n. „richterliche Entscheidung, die einen Rechtsstreit in einer Instanz ganz oder teilweise abschließt; Einschätzung“ ist bereits seit althochdeutscher Zeit bezeugt: ahd. urteili n. (ja-St.), urteilī f., urteil m., n. (a-St.), urteila f. (ō-St., n-St.), urteilida f. (ō-St.), urteilidi n. (ja-St.) „Urteil, Entscheidung, Urteilsspruch, Beschluss, Bestimmung, Gericht“, mhd. urteile, urteil m., n., f., urteilde f. „richterliche Entschei­dung, Ur­teil“, frnhd. urteil n., f „dss.“, ähnd. Urteil n., selten noch f. (Gewint der Cläger die Sach / vnd ist die Vrtheil zuträfften kommen / sosoll der Beclagt jhme die N gulden wider erstatten / vnd darzu als ein freveler in juriant, vnd zerstöhrer Burgerlichen friedlichen Lebens weiters / nach gelegenheit der Sachen vnd Personen / gestrafft werden; Georg Obrecht, Fünff Vnderschiedliche Secreta Politica, Straßburg 1617, nach DTA), „richterliche Entscheidung, Ur­teil; Einschätzung“; asächs. urdēli n., mndd. ōrdēl n., mndl. o(o)rdeel, aengl. ordāl m. n. alle „Urteil“, nengl. ordeal „Gottesurteil“, alles Wörter, die bereits seit ihrer ersten Bezeugung auch im rechtssprachlichen Kontext verwendet werden. Urteil und das zugehörige Verb erteilen „(aufgrund einer Funktion oder einer Berechtigung) geben, zuteil werden lassen, zukommen lassen“, ahd. irteilen sw.v. „urteilen, richten, verurteilen, Recht sprechen, ein Urteil sprechen, beschließen, jemanden verurteilen“ sind von Teil und teilen (< urgerman. *dailjan-, Ableitung von Teil, ahd., mhd. teil m. n., asächs. dēl m., mndd. dēl m. n., mndl. nndl. deel n. < urgerman. *daila- n., m. „Teil, Stück, Anteil“; dazu noch urgerman. *daili- in got. dails f., aengl. dǣl m., nengl. deal) abgeleitet. Urteil, eigentlich „Zuteilung“, wurde im rechts­sprach­lichen Kontext bereits in westgermanischer Zeit in der Bedeutung „gerichtliches Urteil“ ver­wen­det. Zu urgerman. *daila- < uridg. Transponat *dhh1-oi-lo- vgl. noch russ.-ksl. dělъ m. „Teil“ und s.-kr. dȉjel m. „Teil; Berg“ (Kroonen 2013: 87).

Literatur:
Derksen, Rick 2008: Etymological Dictionary of the Slavic Inherited Lexicon, Leiden-Boston: Brill. 
DTA = www.deutschestextarchiv.de.
Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm 1854–1954: Deutsches Wörterbuch. Bd. 1–16 (und Quellenverzeichnis, 1971). Leipzig: Hirzel. (Nachdruck der Erstausgabe 1999: Bd. 1–33) München: Deutscher Taschenbuch-Verlag. Auch als CD-ROM 2004: Der digitale Grimm. Frankfurt am Main: Zweitausendeins. Auch unter: www.woerterbuchnetz.de.
Kluge, Friedrich 2011: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Begr. Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 25., durchges. und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter.
Köbler AhdWb = Köbler, Gerhard: Althochdeutsches Wörterbuch, 4 Auflage, online uter http://www.koeblergerhard.de/ahdwbhin.html.
Kroonen, Guus 2013: Etymological Dictionary of Proto-Germanic, Leiden-Boston: Brill.
Mittelhochdeutsches Wörterbuch. Mit Benutzung des Nachlasses von Georg Friedrich Benecke ausgearbeitet von Wilhelm Müller und Friedrich Zarncke. 3 Bde. Leipzig 1854-1866. Online auch unter http://woerterbuchnetz.de/BMZ/
Matthias Lexer: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. 3 Bde. Leipzig 1872-1878.
Pfeifer, Wolfgang (Hg.) 1993: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2 Bde. 2., durchges. u. erg. Aufl. Berlin: Akad. Verl.
Rix, Helmut/Kümmel, Martin 2001: Lexikon der indogermanischen Verben: LIV; die Wurzeln und ihre Primärstammbildungen. Unter Leitung von Helmut Rix und der Mitarbeit vieler anderer bearb. von Martin Kümmel, Thomas Zehnder, Reiner Lipp, Brigitte Schirmer. 2., erw. und verb. Aufl., bearb. von Martin Kümmel und Helmut Rix. Wiesbaden: Reichert.
 
Autorin: Sabine Ziegler