Prof. Dr. Rosemarie Lühr

Informationsstruktur in komplexen Sätzen - synchron und diachron

Förderung: DFG

Geht man davon aus, dass ein Sender im Laufe mündlicher oder schriftlicher Kommunikation den Wissensvorrat eines Empfängers in passender Weise ergänzt, so muss der Sprecher oder Schreiber das Wissen des Hörers bzw. Lesers nicht nur richtig einschätzen und als Ausgangspunkt seiner Mitteilung wählen, sondern auch das Wichtige deutlich hervortreten lassen. Die Information wird dann vom Sender so gewichtet, dass bestimmte Teile der Information ins Blickfeld gerückt werden, während andere zurücktreten.

Diese Reliefgebung wird im Projekt untersucht. Die Vorgehensweise schließt sich der des Projektes „Die Informationsstruktur in älteren indogermanischen Sprachen“ an. Grundsätzliches dazu kann unter der entsprechenden Projektbeschreibung nachgelesen werden.

Im hier dargestellten Projekt wird zusätzliches Augenmerk auf nebensatzartige Strukturen gelegt.
Ausgehend von Diskurskontexten wird der Beitrag, den die Informationsstruktur [=IS] zur Variabilität komplexer Sätze in den älteren Sprachen unseres Kulturkreises, der Indogermania, leistet, synchron und diachron untersucht.

Synchron geht es um folgende Fragen:

  • Welche Variablen signalisieren, dass auch subordinierte finite und infinite Strukturen (z.B. Partizipial-, Infinitiv-, Gerundkonstruktionen) eine eigene IS haben können?
  • Worin unterscheidet sich diese von der IS des Matrixsatzes?
  • Welche Variablen zeigen darüber hinaus die Art der Informationsgewichtung zwischen Matrix- und Nebensatz an?
  • Gibt es hier textsorten- oder autorenspezifische Unterschiede?


Diachron wird geprüft, welche IS-bedingte Kovarianz bei komplexen Sätzen zu historischen Veränderungen und u.U. sprachübergreifenden Entwicklungstendenzen führt.

Im Laufe der indischen Sprachentwicklung zeigt sich z.B., dass finite subordinierte Strukturen zum Ausdruck von Rahmenkonstruktionen zunehmend in infinite (Absolutiva, später auch Nominalisierungen und Komposita) übergehen. Die Nebeninformationen werden dadurch immer deutlicher von der Hauptinformation unterscheidbar. Ein weiteres Phänomen betrifft die Entwicklung von Entsprechungen zu dt. dass-Sätzen in den altindogermanischen Sprachen. Das Indogermanische hatte ursprünglich keine dass-Sätze, weder in Subjekt- noch in Objektfunktion. Auch die Frage nach einem möglichen Übergang von topic prominence zu subject prominence in ihrem Bezug zu komplexen Sätzen lässt sich beantworten. Darüber hinaus werden Einsichten in die komplexe Sätze betreffende IS der indogermanischen Grundsprache möglich. Außerdem lässt das information packaging auch alter Sprachen auf universelle kognitive Prinzipien schließen.

Die Daten werden mit EXMARaLDA annotiert und in die allgemein zugängliche Datenbank ANNIS überführt. Hinzu kommt eine Buchpublikation mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse.

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