Boden
Boden m. „Erdboden;
Grundfläche in Räumen und im Freien; Dachgeschoss“, ahd. bodam st. m.
(a-St.) „Boden, Grund; Schiffsboden,
-kiel, -deck“, ist seit dem 9. Jh. belegt. Das auslautende ‑m findet sich bis ins 17. Jh. Die
Grundbedeutung des Wortes ist „Erdboden“. Erst im 16. Jh. kommt im Deutschen
zusätzlich die Bedeutung „Raum unter dem Dach“ auf: meine boden sind mit frucht gefüllt; wie du das korn auf dem boden oder
in dem sack sihest ligen (Luther 6, 256a, DWb
s.v. Boden).
Ausgangspunkt für den Bedeutungswandel ist also die Tatsache, dass über einem
(Erd-)Geschoss ein weiterer Boden zum Lagern (z.B. von Erntegut, vgl. Kornboden, 16. Jh.) eingezogen
wird. Das Wort ist im West- und
Nordgermanischen gut bezeugt. Dabei zeigen die Wörter einen Dentalwechsel und
einen Wechsel zwischen m- und n-Suffix: ahd. bodam und as. Dat. Sg. bodme setzten ‑þ- voraus, mndd. bōdem(e), auch boddem, bodden, mndl. bodem/boden, ndl. bodem können sowohl ‑þ- als auch ‑đ- fortsetzen.
Afries. boden wiederum weist nur auf ‑đ-. Im Alt- und
Mittelenglischen sind drei Dentale vertreten: aengl. botm, bodan, mengl. bothem < aengl. *boðm. Anord., nisl., nnorw. botn, schw. botten und andere weisen dagegen auf germ. *-t-. Sowohl der Wechsel im Dental als
auch der im Suffix erklären sich am besten durch die Rückführung auf einen
urindogermanischen hysterodynamischen Stamm *bhudh-men- mit Nominativ Singular *bhudh-mḗn (gr. puthmḗn
m. „Boden“), Genitiv Singular *bhudh-mn-és. Das
Suffix ‑men- wurde einzelsprachlich
vereinfacht und erscheint entweder mit Überführung in die thematische Flexion
als mo-Suffix (as., ahd., afries.,
aengl.) oder als no-Suffix (z.B. in anord.,
ai. budhná- m. „Grund,
Boden, Tiefe“, lat. fundus, -ī
m. „Boden“ [mit Metathese <*bhudh-no-]).
Für das Urgermanische ist als Zwischenstufe von einem thematischen *ƀuđ-mna-
auszugehen. Daneben ist *ƀuþ-mna- vorauszusetzen, um die lautliche
Vielfalt in den germanischen Einzelsprachen zu erklären. Das þ dürfte
auf Analogie beruhen.
Das Benennungsmotiv für die
Grundbedeutung ist nicht ermittelbar, für die Anwendung im Sinne von
„Fundament“ sind die Merkmale <IST: unten> und <FUNKTION: Fundament>
ausschlaggebend, im Sinne von „Dachboden“ ist es nur die <FUNKTION:
Fundament>.
DWb: Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm
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Autorin: Bettina Bock