Bruderschaft
Ableitungsbasis
für die Kollektiva Bruderschaft/Brüderschaft (mit Kollektivsuffix ahd. ‑skaf(t)
> -schaft) ist Bruder (siehe dort). Bruderschaft
und Brüderschaft wurden lange
als synonyme Bezeichnungen für „Vereinigungen (von Männern zu einem bestimmten
Zwecken und auf einer gemeinsamen Basis)“ gebraucht; im DWb gibt es
daher auch nur ein gemeinsames Lemma. Die semantische Differenzierung zwischen nicht umgelauteter Form v.a. für „christliche
Vereinigungen“ und umgelauteter Form für die metonymisch entstandene Bedeutung „enge
Freundschaft“ erfolgte erst in der 2. Hälfte des 20. Jh., aber auch nicht völlig konsequent: Man
findet durchaus statt des üblichen Brüderschaft
trinken die Variante Bruderschaft
trinken (z. B. Molitor 2009: 251). Die Metonymie
PERSONENGRUPPE > ZUSTAND/GEFÜHL ZWISCHEN DEN PERSONEN ist indessen alt, vgl.
schon die Bedeutungsbreite im Althochdeutschen und Mittelhochdeutschen, z. B.: wildu hie bruoderschaft
enphân, du wirdest meister über die brâten „willst du hier Brüderschaft
empfangen, würdest du Meister über die Braten“ (Reinh. f. 686, BMZ s.v. bruoderschaft). Zugrunde liegt ahd. bruoderskaf(t) f. (i-St.) „christliche Brüderlichkeit, brüderliche Liebe“
(9. Jh.), mhd. bruoderschaft, brüederschaft „geistliche Vereinigung,
brüderliches Verhältnis“. Dazu kam metaphorisch im Frühneuhochdeutschen die Bedeutung
„Gesellenverband, Handwerkervereinigung“ auf: ledrer und schuesster derselben bruderschafft (1235 MCarinth.
IV 227, DRW s.v. Bruderschaft) „Bruderschaft der Lederer und Schuster“
(analog mndd. brȫderschop, brōderschop). Daran schloss sich die allgemeine
hyperonymische Bedeutung „Bund, Gemeinschaft, Zusammenschluss“ an: voreiniging eedder broderschop,
die genomet werdt die innynghe (1307 MecklUB.
V nr. 3164, DRW s.v. Bruderschaft)
„Vereinigung oder
Bruderschaft, die Innung heißt“. Das Benennungsmotiv für eine Gemeinschaft liegt im "Zusammengehörigkeitsgefühl wie unter Brüdern". Eine ähnliche
Bedeutungsentwicklung zeigt auch griech. φράτρα (phrátra) f.,
jünger φρατρία (phratría) „administrative Einheit von Männern“.
BMZ: Benecke, Georg Friedrich 1854–1861: Mittelhochdeutsches Wörterbuch.
Ausgearbeitet von W. Müller und F. Zarncke. 3 Bde. Leipzig: Hirzel. Auch in: Burch,
Thomas/Fournier,
Johannes/Gärtner,
Kurt
(Hgg.) 2002: Mittelhochdeutsche Wörterbücher im Verbund: CD-ROM und Begleitbuch. Stuttgart: Hirzel, 2002. Auch
unter: www.woerterbuchnetz.de.
DRW: Deutsches Rechtswörterbuch. http://drw-www.adw.uni-heidelberg.de/drw/.
DWb: Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm
1854–1954: Deutsches Wörterbuch.
Bd. 1–16 (und Quellenverzeichnis, 1971). Leipzig: Hirzel. (Nachdruck der
Erstausgabe 1999: Bd. 1–33) München: Deutscher Taschenbuch-Verlag. Auch
als CD-ROM 2004: Der digitale Grimm. Frankfurt am Main: Zweitausendeins. Auch
unter: www.woerterbuchnetz.de.
Molitor, Marianne 2009: Wie Fels und Brandung. Hamburg: tredition.
Pfeifer: Pfeifer, Wolfgang
(Hg.) 1993: Etymologisches Wörterbuch des
Deutschen. 2 Bde. 2., durchges. u. erg. Aufl. Berlin: Akad. Verl., s.v. Bruder.
Autorin: Bettina Bock