Etymology

Docht

Docht m. „saugfähiger Faden in einer Kerze oder (Petroleum)lampe, der der Flamme den Brennstoff zuführt und dabei selbst brennend aufgebraucht wird“ ist schon seit althochdeutscher Zeit gut bezeugt: Ahd. tāht st.m. oder st.n. „Docht, Schnur“ (Glossiert lat. funale „Fackel“, fungus „Lichtschnur, Docht“ (auch „Pilz, Schwamm“), linteolum „Tüch­lein, Lampendocht“, lychnus „Leuchte, Lampe“, stuppa „Werg, Flachs, Hanf“, stuppa (lucerna­rum) „Lampendocht“), mhd. tâht, tacht, daht, dacht st.n. „Docht“, frnhd. auch docht, tocht m., n. und f., mndd. dacht, decht, anord. þāttr m. „Draht, Faden, Docht, Abschnitt, Teil“ gehen auf eine Form urgerman. *þæχta- „Faden, Draht“ zurück. Daneben existieren in deutschen Mundarten noch andere Ableitungen derselben zurgundeliegenden Wurzel, etwa bair. Dāhen m. (Schmeller), schweiz. Tägel, Dägel m. „Docht, Licht; Lampe“ (Schweiz Id). Die urger­ma­nische Form *þæχta- setzt eine uridg. dehnstufige Bildung *tēk-to- fort, die zu dem Verb uridg. *tek- „weben, flechten“ gehört, das in mhd. dehsen st.V. (. Sg. Präs. dihse, 3. Sg. Prät. dahs, 1. Pl. Prät. dâhsen, PPP gedohsen) „Flachs drehen, brechen“ < urgerman. *þeχs-a- in einer mit s erweiterten Form weiterlebt. Diese s-Er­weiterung ist nach LIV²: 619f. eine ursprüngliche Desiderativform und findet sich auch in lat. texere „weben“ < uridg. *tek-se/o- und heth. 3.Sg. takkeszi, 3.Pl. taksanzi „verein­baren, unternehmen“. Ohne s-Erweiterung liegt das Verb in armen. tʿekʿem „drehen, wickeln, flechten“ vor. Uridg. *tēk-to- ist eine Vddhi-Ableitung des uridg. Verbal­ad­jektivs oder Part. Perf. Pass. *tek-tó- „gedreht, gefloch­ten“. Vddhi-Ableitungen haben verschiedene Bedeutungen (Darms 1978: 7ff.). hier handelt es sich um eine Substantivierung eines Ad­jek­tivs, die wahrscheinlich auch mit einer Akzentver­schiebung von *tek-tó- „gedreht, geflochten“ > *tḗk-to- „das Gedrehte, Geflochtene“ > „Docht“ einhergegangen ist – der ger­manischen Form und ihren Fortsetzern ist dieser Akzentunterschied nicht mehr an­­zu­sehen. In schweiz. Tägel, Dägel liegt eine instrumentalische l-Ableitung vor (wie in Schlägel, Prügel u.a.), bair. Dāhen setzt eine n-Bildung fort. Dochte haben die wichtige Eigen­schaft, aus mehreren Fäden locker ge­­floch­ten oder gedreht zu sein, denn damit wird eine bessere Sauerstoffzufuhr er­reicht.

Literatur:
Darms, George 1978: Schwäher und Schwager, Hahn und Huhn. München: Kitzinger.
Duden = Wissenschaftlicher Rat der Dudenredaktion (Hg.) 2000: Duden – Das große Wörterbuch. Mannheim: Verlag Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG. CD-ROM auf der Basis der 3., völlig neu bearb. und erw. Auflage der Buchausgabe in 10 Bänden (1999). 
Goebel, Ulrich/Reichmann, Oskar 1986–: Frühneuhochdeutsches Wörterbuch. Begr. von Robert R. Anderson, Ulrich Goebel, Oskar Reichmann. Bd. 1–. Berlin u.a.: de Gruyter.
Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm 1854–1954: Deutsches Wörterbuch. Bd. 1–16 (und Quellenverzeichnis, 1971). Leipzig: Hirzel. (Nachdruck der Erstausgabe 1999: Bd. 1–33) München: Deutscher Taschenbuch-Verlag. Auch als CD-ROM 2004: Der digitale Grimm. Frankfurt am Main: Zweitausendeins. Auch unter: www.woerterbuchnetz.de.
Karg-Gasterstädt, Elisabeth u.a. 1952–: Althochdeutsches Wörterbuch. Auf Grund der von Elias von Steinmeyer hinterlassenen Sammlungen im Auftr. der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig bearb. von Elisabeth Karg-Gasterstädt und Theodor Frings. Bd. 1–. Berlin: Akad.-Verl.
Kloekhorst, Alwin 2008: Etymological Dictionary of the Hittite Inherited Lexicon. Leiden: Brill.
Kluge, Friedrich 2011: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Begr. Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 25., durchges. und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter.
Kroonen, Guus 2013: Etymological Dictionary of Proto-Germanic, Leiden-Boston: Brill.
Lloyd, Albert L./Lühr, Rosemarie 1988–: Etymologisches Wörterbuch des Althochdeutschen. Bd. 1–. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Mittelhochdeutsches Wörterbuch. Mit Benutzung des Nachlasses von Georg Friedrich Benecke ausgearbeitet von Wilhelm Müller und Friedrich Zarncke. 3 Bde. Leipzig 1854-1866. Online auch unter http://woerterbuchnetz.de/BMZ/
Matthias Lexer: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. 3 Bde. Leipzig 1872-1878.
Pfeifer, Wolfgang (Hg.) 1993: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2 Bde. 2., durchges. u. erg. Aufl. Berlin: Akad. Verl.
Rix, Helmut/Kümmel, Martin 2001: Lexikon der indogermanischen Verben: LIV; die Wurzeln und ihre Primärstammbildungen. Unter Leitung von Helmut Rix und der Mitarbeit vieler anderer bearb. von Martin Kümmel, Thomas Zehnder, Reiner Lipp, Brigitte Schirmer. 2., erw. und verb. Aufl., bearb. von Martin Kümmel und Helmut Rix. Wiesbaden: Reichert.
Schmeller, Andreas 1872, 77: Bayerisches Wörterbuch. München: Oldenbourg.
Schweizerisches Idiotikon. unter der URL http://www.idiotikon.ch/. 

Autorin: Sabine Ziegler