Etymology

Fraktion

Fraktion wurde in der 1. Hälfte des 19. Jh. aus frz. fraction „Gruppierung“ < „Bruchstück, Teil“ entlehnt. Das französische Wort setzt lat. frāctio, -ōnis f. „das Brechen, Bruch; Bruchstück“ fort, Nomen actionis (> Nomen rei actae) zum Verb lat. frangere „(zer-)brechen“. Bereits im 18. Jh. ist Fraktion in der Bedeutung „Teilung, Aufteilung, Teil“ direkt aus dem Lateinischen entlehnt worden. Das Benennungsmotiv für die heute im politischen Kontext besonders häufige Bedeutung "organisatorische Gliederung im Parlament, in der alle Abgeordneten einer Partei od. befreundeter Parteien zusammengeschlossen sind" (Duden s.v. Fraktion) ist "Teil einer Gemeinschaft". Zu Beginn dieser Entwicklung um 1830 wurde mit dem Wort zunächst einen "sich absondernden Teil einer politischen Partei" (Schulz/Basler s.v. Fraktion) bezeichnet: bekanntlich hat die fraktion der republikaner, die durch den 'national' repräsentiert wird, den gesetzvorschlag der befestigung am wirksamsten verfochten. eine andere fraktion, die ich die linke der republikaner nennen möchte, erhebt sich dagegen mit dem wildesten zorn. (1841, Heinrich Heine 9, 240; DWb s.v. link (adj.) 2). Doch zeigt ein noch früherer Beleg von 1829 sogar schon eine Bedeutung "organisatorische Gliederung in einer Kammer", die der heutigen noch näher kommt: Auch habe man gestern Abends von dem Marquis von Combon als neuen Candidaten gesprochen, der zu jener Fraktion der Kammer gehöre, welche oft die Majorität in derselben entschieden (Bayreuther Zeitung, 20. Januar 1829, S. 62f.). Die allgemeiner Bedeutung findet sich in demselben Jahr ebenfalls:  Diese Ansicht theilte wahrscheinlich auch die Fraction der Constitutionsfreunde in der Gesellschaft von 1798  (Geschichte der Staatsveränderung in Frankreich und König Ludwig XVI. [...]. 4. Theil, Leipzig 1829, S. 346). Den Frame für die Übertragung vom älteren mathematischen Begriff des "Bruchs" bzw. "Bruchteils" zeigt deutlich ein Beleg von 1826: Und so ist jenes Pamphlet nur eines der vielen drohenden Zeichen einer  F r a k t i o n  der Gegenwart, welche ihren Zähler ihrem Nenner gleich zu machen strebt (Hesperus, 26. April 1826, S. 394; Hervorhebung im Original). Hier dürfte auch der Ausgangspunkt der Begriffsbildung zu suchen sein, ist doch weiter unten in derselben Schrift von den "beyde[n] Parteyen" die Rede. Schulz/Basler ebd. verweisen zudem noch auf den Einfluss des heute veralteten Faktion "aktive, kämpferische, parteiähnliche Gruppe, die sich innerhalb einer Partei gebildet hat u. deren Ziele u. Ansichten von der Generallinie der Partei abweichen" (Duden s.v. Faktion). Dieses Wort wurde bereits im 16. Jh. entlehnt  und zeigt auch schon früh neben der ursprünglichen Bedeutung "das Machen" (als Nomen actionis zu lat. facere "machen") und der daraus metonymisch entwickelten Bedeutung "Tatgemeinschaft" und weiter "politische Partei" eine Bedeutung "politische oder gesellschaftliche Teilgruppe", vgl. aus der Zimmerschen Chronik 1, 33 (um 1564): hat er ganz Galliam in großer empörung befunden; dann als sonderlich Gallia der zeit in zwo underschidliche factionen, als Heduos und Avernos, gethailt (zitiert nach Schulz/Basler s.v. Faktion).

Duden: Wissenschaftlicher Rat der Dudenredaktion (Hg.) 2000: Duden – Das große Wörterbuch. Mannheim: Verlag Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG. CD-ROM auf der Basis der 3., völlig neu bearb. und erw. Auflage der Buch-ausgabe in 10 Bänden (1999). 
Kluge, Friedrich 2002: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Begr. Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 24., durchges. und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter, s.v. Fraktion.
Pfeifer, Wolfgang (Hg.) 1993: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2 Bde. 2., durchges. u. erg. Aufl. Berlin: Akad. Verl., s.v. Fraktion.
Schulz/Basler: Schulz, Hans/Basler, Otto 1995–: Deutsches Fremdwörterbuch. Begonnen von Hans Schulz, fortgeführt von Otto Basler. 2. Aufl., völlig neubearb. im Inst. für Deutsche Sprache. Bd. 1–. Berlin, New York: de Gruyter. 

Autorin: Bettina Bock