Verbrechen
Verbrechen n. „schwere
Straftat“, Verbrecher m. „einer, der eine Straftat begeht“ stammen vom
Verb (etwas) verbrechen „eine Straftat begehen“; substantivierter Infinitiv bzw.
Ableitung mit dem Nomina agentis bildenden Suffix -er (< mhd. -ære, ahd. -āri). Das bereits im
Althochdeutschen bezeugte starke Verb firbrehhan
oder firbrechan bedeutete ebenso wie
seine germanischen Verwandten asächs. farbrekan,
mndd. vorbreken, mndl. verbreken, aengl. forbrecan „zerbrechen, brechen, zerschlagen, zerstören,
übertreten“ (Köbler
AhdWb s.v. firbrehhan, AhdWb s.v. brehhan). Noch im Mittelhochdeutschen hatte das Verb vor allem die
Bedeutung „brechen, zerbrechen, zerstören“, z.B in si ligen vervallen und verbrochen (Beleg vom Ende des 13. Jh.s; Das alte
Passional, Hrsg. von K.A.Hahn. Frankfurt/M. 1845, nach BMZ s.v. verbriche), selten
auch z.B. in den eit verbrechen „den
Eid brechen“ (Deutsche Rechtsalterthümer 904. Von
Jakob Grimm. Göttingen 1828. Neudr.
Darmstadt 1965, nach BMZ) und
frnhd. den frid verbrechen „den
Frieden brechen“ (Beleg aus der zweiten Hälfte des 15.
Jh.s (Monumenta Habsburgica, nach Lexer s.v. verbrëchen).
Im Älteren Neuhochdeutschen vollzieht sich dann die
Einengung auf die rechtssprachliche Bedeutung, vgl. jhr geheyligten Geister / vnd jhr mächtigen Haußbeschirmer deß
Meleanders / die jhr mich frembden gewürdiget habet zu einem Gaste auffzunehmen
/ ich beschwere vnnd bitte euch / wo ich wider den König vnnd die Stände
Siciliens etwas verbrochen: wo ich mit Hülffe / Rath oder That das Recht der bewirtung beleidiget (Johann Barclaÿens Argenis Deutsch
gemacht durch Martin Opitzen. Breslau, 1626, nach DTA), wohl über Fälle wie spätmhd./frnhd. waʒ
er wider ûch verbrochen hât, daʒ wil er verbessern, (Elisabeth von Nassau-Saarbrücken:
Loher und Maller, nach der (mfrk.) Hs. des Kölner Stadtarchivs, 1437 vollendet; nach Lexer), die eine konkrete Lesart „zerbrechen“ ebenso erlauben wie eine übertragende Lesart „verbrechen“.
Das Substantiv Verbrechen
ist ebenso wie das Nomen agentis Verbrecher
seit Beginn des 17. Jh.s meist in der rechtssprachlichen Bedeutung bezeugt,
z.B. Gleichwol waren auch andere Götter
verhanden / welche es mit dem Momo hielten / vnd vermeinten / daß das verbrechen der Menschen wider den
allerhöchsten Gott Iupiter vnendlich were / vnd daß derwegen von rechts wegen
die Straff gleichfals vnendtlich seyn sollte (Beleg von 1615: Aegidius Albertinus,
Der Landtstörtzer: Gusman von Alfarche oder Picaro genannt, München 1615; nach
DTA) und Vnnd damit ob dieser Ordnung
desto mehr gehalten / vnnd die verbrecher vmb jhr vbertretten gebührlich gestrafft werden / so wöllen vnnd gebieten
vnsere Herren / Meister vnnd Rath […] (Der
Statt Straßburg PoliceijOrdnung, Straßburg 1628; nach DTA). Für das Präfixkompositum verbrechen vgl. brechen, ahd.
brehhan, asächs. brekan, afries. breka, aengl.
brecan, got. brikan < urgerman. *breke/a-
< uridg. *bhré⁽ĝ⁾-e/o-;
ferner lat. frangere „brechen,
zerbrechen, zerschlagen“ < uridg. *bh-ne/n-⁽ĝ⁾- (Kroonen
2013: 75; LIV²: 91f.).
Eine semantische Parallele zur Entwicklung von „brechen,
zerschlagen“ zu „verbrechen“ bietet etwa air. bine io, m. und iā, f. „Verbrechen, Missetat;
Zerstörung“, das aus uridg. *bhiH-n-o/ā-
stammt (mit Schwund des Laryngals nach Dybos
Gesetz; zurgunde liegt der Bildung ein altes -nó-Adjektiv, von dem dann ein -o/ā-stämmiges
Substantiv abgeleitet ist) und zur Wurzel *bheH-
„schlagen, zerschlagen“ gehört.
Zur Etymologie von ahd. fir-, nhd. ver-
s. EWA III: 279f.
Literatur:
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DTA = www.deutschestextarchiv.de.
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Unter Leitung von Helmut Rix und der Mitarbeit vieler anderer bearb.
von Martin Kümmel, Thomas Zehnder, Reiner Lipp, Brigitte Schirmer. 2.,
erw. und verb. Aufl., bearb. von Martin Kümmel und Helmut Rix.
Wiesbaden: Reichert.
Autorin: Sabine Ziegler