Etymology

Wiege

Wiege f. „zum Schaukeln eingerichtetes Kinderbett“, das entweder auf gerun­deten Kufen steht oder an der Decke aufgehängt ist. Das Wort ist seit dem Spätalt­hoch­deutschen (11. Jh.) zuerst in Glossen für lat. cuna f. „Wiege“ als ahd. wiega sw. f., mhd. wiege belegt, dazu gehören noch mndd. wēge, mndl. wiege. Diese Wörter setzen eine urger­man. Form *weug-ōn- oder eher *wiug-ōn- fort, die aus einem Verb mit intensivie­render oder iterativer Redupli­kation abgeleitet ist. Dieses Verb liegt vor in ai. ūh-a- „stoßen, schieben, bewegen“, einem mit i reduplizierten thematischen Prä­sensstamm von ai. vah- „fahren, sich bewegen“, und ist aus uridg. *i-ĝh-e/o- mit As­similation der reduplizierten Lautgruppe *i-- zu *u- > ai. ū herleitbar. Neben ahd wiega stehen im Ablaut die gleichbedeutenden Formen ahd. waga sw. f. und mhd. wage < urgerman. *wagōn- < uridg. *oĝheh2-, die eine nichtreduplizierte Bildung fortsetzen. Die althochdeutschen Formen mit kurzem i müssen mit Lexer als regulär monophthongierte mitteldeutsche Formen erklärt werden. Das aus einem nicht mehr bezeugten german. Verb *wiug-a/e- „hin- und herbewegen“ abgeleitete Substantiv ahd. wiega beweist das urindogermanische Alter der Bildung *i-ĝh-e/o-, die bisher nur im Altindischen ūh-a- vorlag.

Literatur:
Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm 1854–1954: Deutsches Wörterbuch. Bd. 1–16 (und Quellenverzeichnis, 1971). Leipzig: Hirzel. (Nachdruck der Erstausgabe 1999: Bd. 1–33) München: Deutscher Taschenbuch-Verlag. Auch als CD-ROM 2004: Der digitale Grimm. Frankfurt am Main: Zweitausendeins. Auch unter: www.woerterbuchnetz.de.
Kluge, Friedrich 2011: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Begr. Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 25., durchges. und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter.
Köbler AhdWb = Köbler, Gerhard: Althochdeutsches Wörterbuch, 4 Auflage, online unter http://www.koeblergerhard.de/ahdwbhin.html.
Kroonen, Guus 2013: Etymological Dictionary of Proto-Germanic, Leiden-Boston: Brill.
Mayrhofer, Manfred 1992–2001: Etymologisches Wörterbuch des Altindoarischen. 3 Bde. Heidelberg: Winter.
Mittelhochdeutsches Wörterbuch. Mit Benutzung des Nachlasses von Georg Friedrich Benecke ausgearbeitet von Wilhelm Müller und Friedrich Zarncke. 3 Bde. Leipzig 1854-1866. Online auch unter http://woerterbuchnetz.de/BMZ/
Matthias Lexer: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. 3 Bde. Leipzig 1872-1878.
Pfeifer, Wolfgang (Hg.) 1993: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2 Bde. 2., durchges. u. erg. Aufl. Berlin: Akad. Verl.
Rix, Helmut/Kümmel, Martin 2001: Lexikon der indogermanischen Verben: LIV; die Wurzeln und ihre Primärstammbildungen. Unter Leitung von Helmut Rix und der Mitarbeit vieler anderer bearb. von Martin Kümmel, Thomas Zehnder, Reiner Lipp, Brigitte Schirmer. 2., erw. und verb. Aufl., bearb. von Martin Kümmel und Helmut Rix. Wiesbaden: Reichert.

Autorin: Sabine Ziegler