Amt
Amt geht zurück auf ahd. ambaht st. n. (a-St.), auch ambahti st. n. (ja-St.), „Auftrag, Dienst, Amt“ (8. Jh.). Daneben findet sich ahd. ambaht st. m. (a-St.), auch ambahti st. m. (ja-St.) „Inhaber eines Amtes, Diener“ (8. Jh.). Beide Wörter haben germanische Verwandte, vgl. z. B. asächs. ambahteo m. „Diener“, ambaht, ammaht n. „Amt“, mndd. ambacht, ambecht, ammecht „Amt“, mndl. ambacht m. „Diener“, ambacht, am(b)t n. „Amt; Handwerk, Gewerbe“, aengl. ambeht, ombeht, embeht, embiht usw. m. „Diener“, n. „Amt“; aisl. ambǫ́tt, ambótt, ambátt f. „Magd, Kebsweib“, aisl. embætti n. „Amt“, got. andbahts m. „Diener“; andbahti n. „Amt, Dienst“ (vgl. zum Gotischen Casaretto 2004: 69, 130). Zugrunde liegt allen diesen Wörtern urgerm. *amƀaχt-. Dabei handelt es sich um einen staatsrechtlichen Fachausdruck, der früh aus dem Keltischen entlehnt wurde. Einen wichtigen Hinweis auf das keltische Wort liefern zwei lateinische Belege:
‒ Cäsar, Bellum Gallicum 6, 15: Alterum genus est equitum. […] ut quisque est genere copiisque amplissimus, ita plurimos circum se ambactos clientesque habet. „Die andere Gruppe [der beiden vornehmen Gruppen bei den Galliern] ist die der Ritter. … wie jeder hinsichtlich Abstammung und Vermögen hoch angesehen ist, so hat er besonders viele Gefolgsleute und Vasallen um sich.“
‒ Paulus ex Festo (4, 20–23): Ambactus apud Ennium lingua Gallica servus appellatur. Am praepositio loquelaris significat circum, unde supra servus ambactus, id est circumactus dicitur. „ambactus wird bei Ennius auf Gallisch ein Sklave genannt. Die untrennbare Präposition am bedeutet ‚herum', daher wird oben der Sklave ambactus, das heißt ‚der Herumgeschickte‘, genannt“.
Vergleichbar damit ist kymr. amaeth „Bauernknecht“. Die Bildeweise des kelt. ambactus, einem Determinativkompositum aus ambi- < uridg. *h2embhi/*h2m̥bhi „um … herum“ und ‑actus < uridg. *h2ek̂tós (Verbalpartizip mit restituierter Vollstufe und assimiliertem Palatal zur Wurzel uridg. *h2eĝ- „treiben“), war im 2. bis 4. Jh. noch durchsichtig. Das zeigt die Anmerkung bei Paulus (ex Festo) und die Umdeutung des Vorderglieds im Gotischen. Sowohl von der Wortbildung her als auch mit Blick auf die Bedeutung „Diener, Sklave“ sind aind. abhi-cará- m., griech. ἀμφί-πολος (amphí-polos) m. und lat. an-culus m. zu vergleichen; es sind Fortsetzer von *h2m̥bhi-ku̯oló- „der sich um jemanden/etwas herum bewegt“ (zu *ku̯elh1- „sich drehen; ständig in Bewegung sein“). Die passivische Variante *h2m̥bh(i)-h2ek̂tós „der Herumgeschickte“, wie sie im Keltischen vorliegt, hat eine Parallele in av. ašta- m. „Bote“ < *„der (auf den Weg) Geschickte“, vgl. Bartholomae s.v. ašta- mit Angabe mehrerer Belege und Hintze 1994: 372 (Hinweis von Sabine Ziegler).
Der ja-Stamm urgerm. *amƀaχt-ja- n., eine germanische denominale Zugehörigkeitsbildung (Krahe/Meid 1967: 72), bezeichnet die Tätigkeit eines Dieners als „Dienst, Amt“. Im Westgermanischen kam es später zu einer Kontamination beider Bildungen und ihrer Bedeutungen.
Im norddeutschen Raum vollzog sich um 1300 ein spezieller Bedeutungswandel, zunächst über eine Bedeutungsverengung im Sinne einer hyponymischen Bildung „Handwerk (als Dienst)“, vgl. tholaten tho arbeidende an sinem ampte (1294 RigaStR. 16, DRW s.v. amt-1) „zulassen, in seinem Handwerk zu arbeiten“, dann metonymisch übertragen auf die Organisation der Handwerkerş, die „Zunft“: en scomeker en scal dem anderen nen ledder vorkopen unde ok nemanden buten dem ammete (1302 LünebUB. I 140, DRW s.v. amt-1) „ein Schuhmacher soll keinem anderen Leder verkaufen und auch niemanden außerhalb der Zunft“. Das Benennungsmotiv hier ist demnach das Dienstgeschäft.
Bartholomae, Christian 1979 (= 1904): Altiranisches Wörterbuch: zusammen mit den Nacharbeiten und Vorarbeiten. 2. photomechanischer Nachdruck der 1. Aufl. Strassburg 1904. Berlin u.a.: de Gruyter, s.v. ašta-.
Casaretto, Antje 2004: Nominale Wortbildung der gotischen Sprache. Die Derivation der Substantive. Heidelberg: Winter.
DRW: Deutsches Rechtswörterbuch. http://drw-www.adw.uni-heidelberg.de/drw/.
Lloyd, Albert L./Lühr, Rosemarie 1988–: Etymologisches Wörterbuch des Althochdeutschen. Bd. 1–. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, s.v. ambaht.
Hintze, Almut 1994: Zamyād Yašt. Text, Translation, Glossary. Wiesbaden: Dr. Ludwig Reichert-Verlag. (Iranische Texte; 7).
Kluge, Friedrich 2002: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Begr. Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 24., durchges. und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter, s.v. Amt.
Krahe, Hans/Meid, Wolfgang 1967: Germanische Sprachwissenschaft. Bd. 3: Wortbildungslehre. Berlin: de Gruyter.
Pfeifer, Wolfgang (Hg.) 1993: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2 Bde. 2., durchges. u. erg. Aufl. Berlin: Akad. Verl., s.v. Amt.
Autorin: Bettina Bock