Etymology

Anstand

Anstand m. (Singulare tantum) „gute Sitte, schickliches Benehmen“ ist seit dem Mhd. bezeugt: anstant m. bedeutete „das Anstehen-Lassen“, insbesondere den „Aufschub der Kampfhandlungen, Waffenstillstand, Friede“. In dem allgemeinen Sinne „Aufschub, Einwand“ wird es noch im 19. Jh. verwendet; dazu gehört die Wendung (keinen) Anstand nehmen „(keine) Bedenken tragen“. Mhd. anstant bezeichnete aber auch in der Jägersprache „das Anstehen“, um zum Schuss zu kommen (18. Jh.), daraus ergab sich die auch heute noch gebräuchliche fachsprachliche Bedeutung von Anstand als „An-, Hochsitz“des Jägers. Die heute übliche Bedeutung „gute Sitte, schickliches Benehmen“ ist seit dem Ende des 17. Jhs. bezeugt. Hierher gehören noch anstandslos Adj. „ohne Einwände, ohne weiteres“ (seit dem 19. Jh. bezeugt), beanstanden sw. V. nur vereinzelt „anstehenlassen, aufschieben“, sonst „Einwände erheben, rügen“ (19. Jh.) sowie anständig Adj. „zuständig, geziemend“ (Ende 15. Jh.) „schicklich, höflich“ (17. Jh.); unanständig Adj. „anstößig“ (17. Jh.). Im Mittel­hoch­deutschen haben auch andere Ableitungen des Verbs standen, ahd. stantan, das eine Nebenform zu mhd. stēn, ahd. stēn, stān „stehen“ ist, die Bedeutung „feststehend, zuverlässig“ angenommen, etwa das Adjektiv mhd. gestendec nur „beständig; zu jemandem hal­tend“. Alle gehören zu der uridg.Wurzel *steh2-„stehen, stellen, sich hinstellen“, die in vielen indogerma­nischen Sprachen gut bezeugt ist (LIV2 s.v.).
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Wodtko, Dagmar S./Irslinger, Britta/Schneider, Carolin 2008: Nomina im indogermanischen Lexikon. Heidelberg: Winter; S. 733f.

Autorinnen: Bettina Bock und Sabine Ziegler