Etymologie

Anstand

Anstand m. (Singulare tantum) „gute Sitte, schickliches Benehmen“ ist seit dem Mhd. bezeugt: anstant m. bedeutete „das Anstehen-Lassen“, insbesondere den „Aufschub der Kampfhandlungen, Waffenstillstand, Friede“. In dem allgemeinen Sinne „Aufschub, Einwand“ wird es noch im 19. Jh. verwendet; dazu gehört die Wendung (keinen) Anstand nehmen „(keine) Bedenken tragen“. Mhd. anstant bezeichnete aber auch in der Jägersprache „das Anstehen“, um zum Schuss zu kommen (18. Jh.), daraus ergab sich die auch heute noch gebräuchliche fachsprachliche Bedeutung von Anstand als „An-, Hochsitz“des Jägers. Die heute übliche Bedeutung „gute Sitte, schickliches Benehmen“ ist seit dem Ende des 17. Jhs. bezeugt. Hierher gehören noch anstandslos Adj. „ohne Einwände, ohne weiteres“ (seit dem 19. Jh. bezeugt), beanstanden sw. V. nur vereinzelt „anstehenlassen, aufschieben“, sonst „Einwände erheben, rügen“ (19. Jh.) sowie anständig Adj. „zuständig, geziemend“ (Ende 15. Jh.) „schicklich, höflich“ (17. Jh.); unanständig Adj. „anstößig“ (17. Jh.). Im Mittel­hoch­deutschen haben auch andere Ableitungen des Verbs standen, ahd. stantan, das eine Nebenform zu mhd. stēn, ahd. stēn, stān „stehen“ ist, die Bedeutung „feststehend, zuverlässig“ angenommen, etwa das Adjektiv mhd. gestendec nur „beständig; zu jemandem hal­tend“. Alle gehören zu der uridg.Wurzel *steh2-„stehen, stellen, sich hinstellen“, die in vielen indogerma­nischen Sprachen gut bezeugt ist (LIV2 s.v.).
Literatur:
Adelung, Johann Christoph 1793-1801: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart. Leipzig. Elektronische Volltext- und Faksimile-Edition nach der Ausgabe letzter Hand. Berlin: Directmedia2004. (Digitale Bibliothek 40). onlineunter http://woerterbuchnetz.de/Adelung/.
Benecke, Georg Friedrich 1854–1861: Mittelhochdeutsches Wörterbuch. Ausgearbeitet von W. Müller und F. Zarncke. 3 Bde. Leipzig: Hirzel.Auch in: Burch, Thomas/Fournier, Johannes/Gärtner, Kurt (Hgg.) 2002: Mittelhochdeutsche Wörterbücher im Verbund: CD-ROM und Begleitbuch.Stuttgart: Hirzel, 2002. Auch unter: www.woerterbuchnetz.de.
Goebel, Ulrich/Reichmann, Oskar 1986–: Frühneuhochdeutsches Wörterbuch. Begr. von Robert R. Anderson, Ulrich Goebel, Oskar Reichmann. Bd. 1–. Berlin u.a.: de Gruyter.
Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm 1854–1954: Deutsches Wörterbuch.Bd. 1–16 (und Quellenverzeichnis, 1971). Leipzig: Hirzel. (Nachdruck der Erstausgabe 1999: Bd. 1–33) München: Deutscher Taschenbuch-Verlag. Auch als CD-ROM 2004: Der digitale Grimm. Frankfurt am Main: Zweitausendeins. Auch unter: www.woerterbuchnetz.de.
Kluge, Friedrich 2002: EtymologischesWörterbuch der deutschen Sprache. Begr. Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 24., durchges. und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter.
Kroonen, Guus 2013: Etymological Dictionary of Proto-Germanic, Leiden-Boston: Brill.
Lexer, Matthias von 1992: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. Nachdruck der Ausg. Leipzig 1872–1878. Stuttgart: Hirzel. Auch in: Burch, Thomas/Fournier, Johannes/Gärtner, Kurt (Hgg.) 2002: Mittelhochdeutsche Wörterbücher im Verbund: CD-ROM und Begleitbuch. Stuttgart: Hirzel, 2002. Auch unter: www.woerterbuchnetz.de.
Pfeifer = Pfeifer, Wolfgang (Hg.) 1993: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2 Bde. 2., durchges. u.erg. Aufl. Berlin: Akad. Verl.
Rix, Helmut/Kümmel, Martin 2001: Lexikon der indogermanischen Verben: LIV; die Wurzeln und ihre Primärstammbildungen. Unter Leitung von Helmut Rix und der Mitarbeit vieler anderer bearb. von Martin Kümmel, Thomas Zehnder, Reiner Lipp, Brigitte Schirmer. 2., erw. und verb.Aufl., bearb. von Martin Kümmel und Helmut Rix. Wiesbaden: Reichert; S. 590ff.
Wodtko, Dagmar S./Irslinger, Britta/Schneider, Carolin 2008: Nomina im indogermanischen Lexikon. Heidelberg: Winter; S. 733f.

Autorinnen: Bettina Bock und Sabine Ziegler