Bahre
Bahre f. „tragbare Liege für Leichen“, früher auch „tragbare Liege zum Transport von Kranken; tragbare Liege, Sänfte“ (So z.B. noch in der Lutherübersetzung der
Bibel, Apg 5, 15: das sie die kranken auf die gassen heraus
tragen und legten sie auf betten und baren), ist im Althochdeutschen als bāra, pāra und Mittel- und Frühneuhochdeutschen als bāre „tragbare Liege, Sänfte“ belegt.
Dazu gehören ferner die westgermanischen Entsprechungen as. bære, aengl. bær, engl. bier, afries. bere, nl. baar. Diese weisen auf eine wgerman. Form *bērō f. als dehnstufige Ableitung der gut bezeugten Wurzel german.
*ƀer- „tragen“, die in dt. gebären fortlebt. Der german. Verbalstamm *ƀer- weist zusammen mit ai. bhárati
„trägt“, lat. ferre, griech. phérein „tragen“, air. beirid „trägt“ u.a. auf eine uridg.
Wurzel *bher- „tragen, bringen“ (EWA I: 546 f., LIV2: 76f.). Eine semantisch vergleichbare Ableitung liegt in lat. feretrum n.,
griech. phéretron n. „Bahre“ vor, auch wenn das Wort mit anderen
morphologischen Mitteln gebildet ist. Schon im Mittelhochdeutschen wurde ein
eigentlich tautologisches Kompositum
tragebāre „Tragbahre“ (mnd. drāgebēre, spätmhd. frnhd. auch trageber) geschaffen, da beim Simplex Bahre
schon früh die Bedeutungseinengung zu „Lager, Liege für Tote“ (der
erzbischof kam zů der bare und entdecket ime sein gesicht (Haimonskinder
(1535) F 4, nach DWb) auftritt, die durch das Verschwinden des Verbum
simplex ber(en) „tragen“ noch begünstigt wird. Ab dem 13. Jh. ist
das komponierte Verb ūfbāren
„(einen Toten) auf die Bahre legen, aufbahren“ bezeugt. Weitere Komposita sind Leichenbahre, Totenbahre sowie einige nurmehr dialektal fortlebende Bildungen
wie Radebahre, Radeber(e) „einrädriger
Schubkarren“, Mistbahre, Bandbahre.
Literatur:
DWb = Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm 1854–1954: Deutsches Wörterbuch.
Bd. 1–16 (und Quellenverzeichnis, 1971). Leipzig: Hirzel. (Nachdruck
der Erstausgabe 1999: Bd. 1–33) München: Deutscher Taschenbuch-Verlag.
Auch als CD-ROM 2004: Der digitale Grimm. Frankfurt am Main:
Zweitausendeins. Auch unter: www.woerterbuchnetz.de.
EWA = Lloyd, Albert L./Lühr, Rosemarie 1988–: Etymologisches Wörterbuch des Althochdeutschen. Bd. 1–. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
LIV² = Rix, Helmut/Kümmel, Martin 2001: Lexikon der indogermanischen Verben: LIV; die Wurzeln und ihre Primärstammbildungen.
Unter Leitung von Helmut Rix und der Mitarbeit vieler anderer bearb.
von Martin Kümmel, Thomas Zehnder, Reiner Lipp, Brigitte Schirmer. 2.,
erw. und verb. Aufl., bearb. von Martin Kümmel und Helmut Rix.
Wiesbaden: Reichert.
Autorin: Sabine Ziegler