Bett
Bett n. „Schlafstatt“ ist schon seit dem 8. Jh. durchgehend
bezeugt: ahd. betti, petti n. (ja-St.) „Bett,
Matratze, Polster; Gartenbeet“ (glossiert lat. lectus „Bett, Lager“, torus
„Lager, Polster “, stratum „Liege,
Matratze“, culcita „Kissen, Matratze,
Polster“, areola „Gartenbeet“; EWA I:
570 ff.), mhd. bette, bet(t)
„Bett; Beet“, frnhd. bett(e). Die beiden Formen Bett und Beet sind durch Paradigmen- und Bedeutungsaufspaltung entstanden: Beet geht auf den
Nom.Ak.Sg.n. *ƀađim (< urgerman. *ƀađjan) zurück, die Form Bett auf oblique Kasus mit dem Stamm urgerman.
*ƀađj-, der zur Konsonantengemination
führte (vgl. EWD
s.v. Bett). Auch in anderen westgermanischen Sprachen ist das
Wort in beiden Bedeutungen gut belegt: as. bed(di) n., aengl. n. bed, mndd. n., mndl. n. bedde.
Für an. beðr m. und got. badi ist dagegen nur „Polster,
Unterlage, Bett“ bezeugt. Urgerman. *ƀađja-
stammt aus einer Ableitung *bhodhh2-o-
„was ausgestochen, -gegraben wird; Grube“ von der Verbalwurzel uridg. *bhedhh2- „graben,
stechen“ (LIV²: 66), woraus sich Beet
semantisch problemlos ergibt. Die Wurzel uridg. *bhedhh2- „graben, stechen“ begegnet
in lat. fodere „graben“, fossa „Graben, Grube, Rinne, Kanal“,
lit. bedù, bèsti „graben, stechen“, aksl. bosti
„stechen“ sowie in heth. paddai
„gräbt“ samt seinen Ableitungen paddant-
„Vorratsgrube“, pattessar
„Grabung; Loch, Grube“ (Tischler 2001: 533 ff. Vielleicht
gehört hierher auch heth. paddur n.
r/n-Heteroklitikon „Mörser“ aufgrund der ausgehöhlten Form). Auch
gall. bedo- „Kanal, Wassergraben“ (aus zahlreichen Ortsnamen erschließbar,
Delamarre 2003: 70) und ky. bedd „Grab“ sind hier anzuschließen.
Sachgeschichtlich schwieriger ist
die semantische Entwicklung von Bett.
Üblicherweise wird von
einer Bedeutung
„Grube“ > „Schlafgrube“ ausgegangen, so EWA I: 573, Pfeifer s.v. Die in EWA I:
573 vermutete semantische Parallele, die gr. eunḗ „Lager, Bett“ mit air. úam
„Höhle“ und av. unā- „Loch, Riss“
verbindet, ist nicht haltbar, da das gr. eunḗ
zu einer uridg. Wurzel *enh2-
„hinschütten, streuen“ als *„Schütte, Streu“ > „Lager, Bett“ gehört (vgl.
Ziegler 2004). Gegen diese Herleitung spricht sich EWD
s.v. zwar deutlich, doch leider ohne Argumente aus. Durch
archäologische Forschungen ist nachweisbar, dass bis zur Ausbreitung der
griechischen Kultur in Mitteleuropa in der Regel Einraum-Häuser üblich waren,
in denen der Boden des Innenraumes nicht eben war, sondern ein Teil vertieft
wurde. Dieser vertiefte Teil enthielt
nicht nur die Feuerstelle, sondern oft auch die Schlafstelle, die meist mit einem
Belag aus Holz und, je nach Klima, mit Fellen oder Matten ausgestattet war (ausführlich dazu Meier-Oberist 1956: 47-49). Eine
semantische Entwicklung von „Grube“ > „Schlafgrube“ ist daher aus sachgeschichtlichen Gründen durchaus möglich. Dafür spricht auch,
dass feste Schlafbänke bzw. Bettgestelle (vgl. Abb. 4.5) ab dem 9. Jh. im
Althochdeutschen nicht mit betti, petti, sondern mit dem Kompositum bettibret,
mhd. bettebret, bezeichnet werden. Die Wörter Bettgestell und Bettstelle
„hölzerner oder metallener Rahmen eines (beweglichen) Bettes“ sind sogar erst
seit dem Älteren Neuhochdeutschen bezeugt (vgl. DWb s.vv.). Eine andere denkbare semantische Erklärungsmöglichkeit
ist die Annahme, dass es sich bei dem Wort uridg. *bhodhh2-o- „Grube“ um eine scherzhafte
oder umgangssprachliche
Bezeichnung für die Schlafstatt handelt. So hat etwa das neuhochdeutsche Wort Bett einige
umgangssprachlich-scherzhafter Synonyme mit ähnlicher Bedeutung wie uridg. *bhodhh2-o-
„Grube“: Kuhle f. „Vertiefung“ wird meist für die Schlafkuhlen von
Schweinen, aber auch für die sich im Laufe der Jahre bildende Vertiefung in
einer Matratze verwendet; jedoch ergab eine Internet-Recherche ebenfalls
Belege für die Verwendung von Kuhle als scherzhaft-abwertendes Synonym
für eine Schlafstatt: z.B. Irgendeine arme Sau musste in der Kuhle links
schlafen (http://doncorso.de/dcgal/gallery211/main.php?g2_itemId=61990
(Bericht über eine Weitwanderung; die beigefügte Fotografie zeigt mehrere
Betten) oder Seitdem
kuschelt er sich abends in seine Kuhle und schläft ein, ohne sich rumzuwälzen
(von einem Kleinkind; http://www.urbia.de/archiv/forum/th-4089270/babybett-70-x-140-zu-klein-kind-15-monate-eckt-staen
dig-an-und-wird-dadurch-wach-loesungen.html).
Literatur:
Delamarre, Xavier 2003: Dictionnaire de la lange gaulois. Paris: Éditions Errance.
DWb = Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm 1854–1954: Deutsches Wörterbuch.
Bd. 1–16 (und Quellenverzeichnis, 1971). Leipzig: Hirzel. (Nachdruck
der Erstausgabe 1999: Bd. 1–33) München: Deutscher Taschenbuch-Verlag.
Auch als CD-ROM 2004: Der digitale Grimm. Frankfurt am Main:
Zweitausendeins. Auch unter: www.woerterbuchnetz.de.
EWA = Lloyd, Albert L./Lühr, Rosemarie 1988–: Etymologisches Wörterbuch des Althochdeutschen. Bd. 1–. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
EWD = Kluge, Friedrich 2011: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Begr. Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 25., durchges. und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter.
LIV² = Rix, Helmut/Kümmel, Martin 2001: Lexikon der indogermanischen Verben: LIV; die Wurzeln und ihre Primärstammbildungen.
Unter Leitung von Helmut Rix und der Mitarbeit vieler anderer bearb.
von Martin Kümmel, Thomas Zehnder, Reiner Lipp, Brigitte Schirmer. 2.,
erw. und verb. Aufl., bearb. von Martin Kümmel und Helmut Rix.
Wiesbaden: Reichert.
Meier-Oberist, Edmund 1956: Kulturgeschichte des Wohnens im abendländischen Raum. Hamburg: Ferdinand Holzmann Verlag.
Pfeifer, Wolfgang (Hg.) 1993: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2 Bde. 2., durchges. u. erg. Aufl. Berlin: Akad. Verl.
Tischler, Johann 2001: Hethitisches Etymologisches Glossar. Innsbruck.
Ziegler, Sabine 2004: „Uridg. *enh1 „hinschütten, ausbreiten“. In: HS 117/1 (2004): 1-12.
Autorin: Sabine Ziegler