Etymologie

Diwan

Diwan m. „Sofa, weiche Liege; (veraltet) Sammlung von Schriften oder Gedichten“ ist samt nndl. divan, nengl. divan, nschw. divan, nisl. dívan, frz. divan, it. divano über türk. divan „Regierungsraum, Gerichtshof, Regierung; Gedichtsammlung; Sofa“, pers. arab. diwan aus mpers. dēwān, dīwān, Pahlavi d(p)yw’n „Sammlung von Schriften, Archiv; Gericht“ entlehnt (die Bedeutung "Gedichtsammlung" liegt noch vor in Goethes Westöstlicher Diwan). Mpers. dēwān, Pahlavi d(p)yw’n ist ein er­starrter Genitiv Plural zu einem in apers. dipi- „Inschrift“ bezeugten Wort und stand ursprünglich in einer Kollokation wie etwa apers. *dipiyānām/ dipīnām gāϑum „Ort der Inschrif­ten“ (anders bei François de Blois in Encyclopedia Iranica s.v. divan, der versucht, die abweichenden mittelpersischen Lautformen über den Umweg eines armenischen Lehnwortes zu erklären). Apers. dipi- ist seinerseits eine Entleh­nung aus akkad. tuppu, dubbu „Inschrift, Schreibtafel“ und dieses wiederum aus sumer. DUB „Schreib­tafel“. Ausgehend von der Bedeutung „(orientalische) Regierung, (orien­ta­lischer) Gerichts­hof“ über „(typischer) Einrichtungsgegenstand einer (orien­talischen) Re­gierung“ ent­wickelte sich die Bedeutung „(orientalisches) Sofa“ (vgl. dazu Morand 1992: 659). Es ist also eine totum-pro-parte-Relation, die umgekehrt wie z.B. die semantische Ent­wicklung von Bureau verläuft.
Der weitere Entlehnungsweg geht von der mittelpersischen Form dēwān, dīwān „Samm­lung von Schriften, Archiv; Gericht“ dann über Türkisch ins Französische und von da ins Deutsche und andere Sprachen. Im Türkischen erfuhr das Wort eine Bedeutungs­ausweitung von „Regierungsraum, Gerichtshof, Regierung; Gedichtsammlung“ auf das „(orientalische) Sofa“ als „(typischer) Einrichtungsgegenstand eines (orien­ta­lischen) Re­gierungsraumes“.
Es liegt eine totum-pro-parte-Relation vor: Ein typischer Einrich­tungsgegen­stand wird hier durch den Begriff für den ganzen Raum bezeichnet. Sol­che Rela­tionen sind im Gegensatz zu den pars-pro-toto-Beziehungen nicht sehr häu­fig. Wei­tere in diesem Wortfeld belegte totum-pro-parte-Relationen sind lediglich Bottich „Ge­fäß, Fass“ < *„typischer in Lagerräumen anzutreffender Gegenstand“ < griech. apothḗkē „Lager, Maga­zin, Aufbewahrungsort“ und ahd. alabû „Hausrat, Einrichtungs­gegen­stände“ < *„was in einem Gebäude prototypisch anzutreffen ist“ aus einem althochdeutschen Kom­positum ala-bû „gan­zes Haus, Gebäude“.

Literatur:
Kluge, Friedrich 2011: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Begr. Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 25., durchges. und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter.
Morand, Paul: Nouvelles Complètes II: Fin de Siècle. Paris: Gallimard, 1992 (Erstveröff. 1963). Pfeifer, Wolfgang (Hg.) 1993: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2 Bde. 2., durchges. u. erg. Aufl. Berlin: Akad. Verl.
von Soden, Wolfram 1965-1981: Akkadisches Handwörterbuch. 3 Bde. Wiesbaden: Harrassowitz.
 
Autorin: Sabine Ziegler