Etymologie

Ehe

Ahd. ēwa f., n. und ēwī f. „Recht, Gesetz; Heirat, Ehe; Bund; Ewigkeit“, mhd. ēwe, ēe, ēa, ē f. „Recht, Gesetz; Heirat, Ehe; Testament, Bund; Ewigkeit“, frnhd. ehe, ee f. „Gesetz; Ehe; Bund“, änhd. ehe „Ehe, Bund“, nhd. Ehe f. „gesetzlich anerkannte Lebensgemeinschaft zweier Menschen“ gehören zu einer Gruppe von germa­nischen Wörtern, die teilweise auch die Bedeutung „ewig, Ewig­keit“ auf­weisen: eine germa­nische Bildung *aiwi- (< uridg. *h2e-i- oder *h2o-i-) liegt vor in aengl. ǣw f. „Gesetz, Sitte, Ehe“ neben anord. æ, ey, afries. ē Adv. „ewig, immer“; urgerman. *aiwa- m. (< uridg. *h2e-o- oder *h2o-o-) in got. aiws „Zeit, Ewigkeit“, anord. á „immer“, aengl. afries. ā, asächs. ahd. io „je“ neben asächs. ēo m. „Gesetz“; urgerman. *aiwōn f. (< uridg. *h2e-eh2- oder *h2o-eh2-) in afries. ēwe „Gesetz“, ahd. ēwa „Gesetz; Ewigkeit“ (> nhd. Ehe), asächs. an euun, ahd. in euun „in Ewigkeit“. Die germanische Form *aiwa- m. hat eine genaue lautliche und semantische Parallele in air. áe m. „Gesetz, Recht; Prozess“, das auf uridg. *h2e-o- (nicht aber auf *h2o-o-, das ergäbe air. *ói) zurückgeführt werden kann und denselben Bedeu­tungs­wandel zeigt. EWA II: 1173ff., NIL: 277ff. und Kroonen 2013: 16 stellen Lühr 2000: 188 folgend diese Ableitungen zu dem uridg. Nomen *h2éu-/ h2óu- „Lebens­zeit, Lebens­alter; Zeitalter; Ewigkeit“, das in anderen Sprachen gut bezeugt ist, z.B. in aind. yu-, aav. āiiū „Le­benszeit, Lebensalter“ und in Ableitungen wie lat. aevum, griech. aiṓn „Lebenszeit, Ewig­keit“. Mit Blick auf urgerman. *aiþa- „Eid“ (s. dort) wur­den die ger­manischen Rechtsbegriffe auch zur uridg. Wurzel *h1e- „gehen“ ge­stellt. Ein se­man­tischer Übergang von „ewig, im­mer­während“ > „(im­merwähren­des) Recht“ ist jedoch durchaus plausibel ange­sichts se­man­tischer Paral­lelen wie etwa air. aicned n., das sowohl „immerwährende Eigen­schaft, Charakter, Natur“ als auch „Gesetz, Recht“ bedeutet, oder dt. Gewohnheit, das in mittelhoch­deutscher und frühneuhochdeutscher Zeit neben der heutigen manchmal auch die spe­zielle Bedeu­tung „(Gewohnheits-)Recht, Gesetz“ aufweist und als Lehnüberset­zung von lat. con­suetudo „dss.“ gilt (http://opinioiuris.de/artikel/293). S. auch die Bemerkungen zu Justiz.
Ehe f. „gesetzlich anerkannte Lebensgemeinschaft zweier Menschen“; Ehebruch „Verletzung der ehelichen Treue durch außerehelichen Ge­schlechts­­verkehr“ wird erstmals in Luthers Bibelübersetzung verwendet, älter sind das Abstrak­tum frnhd. êbrechunge f. „adulterium“ und das Verbalsubstantiv mhd. êbrëchen n. „Ehebruch“. Dazu gehören Ehebrecher, mhd. êbrëchære, êbrëcher m. und êbrëcherinne f. Das ahd. Adj. ēwabruhlīh, ēobruhlīh bedeutet noch ganz allgemein „gesetzbreche­risch, gesetzwidrig“; jedoch erweist diese Adjektivablei­tung das Vorhandensein des Kompositums ēwabruh, ēobruh bereits im Althochdeutschen, auch wenn dieser Begriff dort nicht selbständig bezeugt ist.

Literatur:
Bammesberger, Alfred 1990: Die Morphologie des urgermanischen Nomens. Heidelberg: Winter.
Casaretto, Antje 2004: Nominale Wortbildung der gotischen Sprache. Die Derivation der Substantive. Heidelberg: Winter.
Goebel, Ulrich/Reichmann, Oskar 1986–: Frühneuhochdeutsches Wörterbuch. Begr. von Robert R. Anderson, Ulrich Goebel, Oskar Reichmann. Bd. 1–. Berlin u.a.: de Gruyter.
Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm 1854–1954: Deutsches Wörterbuch. Bd. 1–16 (und Quellenverzeichnis, 1971). Leipzig: Hirzel. (Nachdruck der Erstausgabe 1999: Bd. 1–33) München: Deutscher Taschenbuch-Verlag. Auch als CD-ROM 2004: Der digitale Grimm. Frankfurt am Main: Zweitausendeins. Auch unter: www.woerterbuchnetz.de.
Karg-Gasterstädt, Elisabeth u.a. 1952–: Althochdeutsches Wörterbuch. Auf Grund der von Elias von Steinmeyer hinterlassenen Sammlungen im Auftr. der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig bearb. von Elisabeth Karg-Gasterstädt und Theodor Frings. Bd. 1–. Berlin: Akad.-Verl.
Kluge, Friedrich 2011: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Begr. Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 25., durchges. und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter.
Kroonen, Guus 2013: Etymological Dictionary of Proto-Germanic, Leiden-Boston: Brill.
Lloyd, Albert L./Lühr, Rosemarie 1988–: Etymologisches Wörterbuch des Althochdeutschen. Bd. 1–. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Lühr, Rosemarie 2000: Die Gedichte des Skalden Egill. Dettelbach: Röll. (Jenaer indogermanistische Textbearbeitungen 1). 
Mittelhochdeutsches Wörterbuch. Mit Benutzung des Nachlasses von Georg Friedrich Benecke ausgearbeitet von Wilhelm Müller und Friedrich Zarncke. 3 Bde. Leipzig 1854-1866. Online auch unter http://woerterbuchnetz.de/BMZ/
Matthias Lexer: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. 3 Bde. Leipzig 1872-1878.
Pfeifer, Wolfgang (Hg.) 1993: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2 Bde. 2., durchges. u. erg. Aufl. Berlin: Akad. Verl.
Rix, Helmut/Kümmel, Martin 2001: Lexikon der indogermanischen Verben: LIV; die Wurzeln und ihre Primärstammbildungen. Unter Leitung von Helmut Rix und der Mitarbeit vieler anderer bearb. von Martin Kümmel, Thomas Zehnder, Reiner Lipp, Brigitte Schirmer. 2., erw. und verb. Aufl., bearb. von Martin Kümmel und Helmut Rix. Wiesbaden: Reichert.
  
Autorin: Sabine Ziegler