Etymologie

Ehre

Ehre f. „Ansehen aufgrund offenbaren oder vorausgesetzten (besonders sittlichen) Wertes“  ist bereits in ahd. ēra „Ansehen, Wertschätzung,Berühmtheit, Würde, Zierde, Ehrfurcht, Verehrung“ (8. Jh.), mhd. ēre „Ehrerbietung, Zierde, Ansehen, Ruhm, Sieg, Herrschaft, Ehrgefühl, ehrenhaftes Benehmen“, asächs. ēra, mndd. mndl. ēre, nndl. eer, aengl. ār „Ehre, Würde, Ruhm, Achtung, Verehrung, Gnade, Mitleid, Besitz, Einkommen“ sowie anord. eir „Gnade, Milde, Hilfe“ bezeugt und erweist so eine germ. Form *aizōn- f. (EWA II s.v.; Bock 2016). Dieses Substantiv gehört zu der uridg. Wurzel *h2eis- „verehren“, die jedoch außerhalb des Germanischen immer eine d-Erweiterung zeigt: griech. hom. αἴδομαι (aídomai) „mit Scheu begegnen, verehren“, ved. *Hi-Hizd- > īḍ- „anrufen, durch Lieder verehren“, aav. *ižd- in išasōi „er soll verehren“ (EWAia I: 204, LIV²: 260f.). Dazugehört noch got. aistand 3.Pl.Prs. „sie scheuen sich vor“, das ebenfalls das uridg. wurzelauslautende -d zeigt. Hierher lässt sich auch noch osk. aiso- „Gott“ < urital. *asso- < *h2esd-to- „das verehrte Wesen“ stellen (Meiser, Lautgeschichte 252f.). – Vereinzelt begegnet Ehre als sittlicher Begriff „Selbstachtung“ bereits im Ahd. (z.B. bei Notker, um 1000). obwohl es hier vor allem noch das äußere Ansehen in Gestalt von „Ruhm, Anerkennung“ bezeichnet. Zu dieser Wortsippe gehört noch ehren sw. V. „Ehre erweisen, achten, anerkennen“, ahd. ērēn (8. Jh.), mhd. ēren; ahd. ērlīh (um 800), mhd. ērlich „ehrenvoll, ruhmreich, ansehnlich, vornehm“, dagegen nhd. ehrlich Adj. „zuverlässig, aufrichtig, redlich“ heute meist im Gegensatz zu betrügerisch; ehrbar Adj. „achtenswert, ehrenhaft“, mhd. ērbære; ehrsam Adj. „ehrbar, sittsam“, ahd.(10. Jh.), mhd. ērsam; ehrfürchtig Adj. „Ehrfurcht, hohe Achtung empfindend“ (16. Jh.), dazu die Rückbildung Ehrfurcht f. „Hochachtung“ (Ende 16. Jh.); ehrwürdig Adj. „Ehrerbietung einflößend“, ahd. ērwirdīg (8. Jh.), mhd. ērwirdec.

Literatur:
Adelung, Johann Christoph 1793-1801: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart. Leipzig.Elektronische Volltext- undFaksimile-Edition nach der Ausgabe letzter Hand. Berlin: Directmedia 2004.(Digitale Bibliothek 40). online unterhttp://woerterbuchnetz.de/Adelung/.
BMZ = Benecke, Georg Friedrich 1854–1861: MittelhochdeutschesWörterbuch. Ausgearbeitet von W. Müller und F. Zarncke. 3 Bde. Leipzig:Hirzel.Auch in: Burch, Thomas/Fournier, Johannes/Gärtner, Kurt (Hgg.) 2002: Mittelhochdeutsche Wörterbücher imVerbund: CD-ROM und Begleitbuch.Stuttgart: Hirzel, 2002. Auch unter: www.woerterbuchnetz.de.
Bock 2016: „Tugenden in Sprichwörtern“. Neri, Sergio/Schuhmann,Roland/Zeilfelder, Susanne (Hgg.): »dat ih dir it nu bi huldi gibu«.linguistische, germanistische und indogermanistische Studien: Rosemarie Lührgewidmet. Unter Mitarbeit von Satoko Hisatsugi. Wiesbaden: Reichert. S. 63–72.
EWA = Lloyd, Albert L./Lühr, Rosemarie 1988–: Etymologisches Wörterbuch desAlthochdeutschen. Bd. 1–. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Goebel, Ulrich/Reichmann, Oskar 1986–: Frühneuhochdeutsches Wörterbuch. Begr. von Robert R. Anderson, Ulrich Goebel, Oskar Reichmann. Bd. 1–. Berlinu.a.: de Gruyter.
Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm1854–1954: Deutsches Wörterbuch.Bd. 1–16 (und Quellenverzeichnis, 1971). Leipzig: Hirzel. (Nachdruck derErstausgabe 1999: Bd. 1–33) München: Deutscher Taschenbuch-Verlag. Auchals CD-ROM 2004: Der digitale Grimm. Frankfurt am Main: Zweitausendeins. Auchunter: www.woerterbuchnetz.de.
Karg-Gasterstädt,Elisabeth u.a. 1952–: Althochdeutsches Wörterbuch. Auf Grund der von Elias von Steinmeyer hinterlassenen Sammlungen im Auftr. der Sächsischen Akademie derWissenschaften zu Leipzig bearb. von Elisabeth Karg-Gasterstädt und TheodorFrings. Bd. 1–. Berlin: Akad.-Verl.
Kluge, Friedrich 2002: EtymologischesWörterbuch der deutschen Sprache. Begr. Friedrich Kluge, Bearb. ElmarSeebold. 24., durchges. und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter.
Köbler AhdWb = Köbler, Gerhard:Althochdeutsches Wörterbuch, 4 Auflage, online uterhttp://www.koeblergerhard.de/ahdwbhin.html.
Kroonen, Guus 2013: Etymological Dictionary of Proto-Germanic,Leiden-Boston: Brill.
Lexer= Lexer, Matthias von 1992: MittelhochdeutschesHandwörterbuch. Nachdruck der Ausg. Leipzig 1872–1878. Stuttgart: Hirzel.Auch in: Burch, Thomas/Fournier, Johannes/Gärtner, Kurt (Hgg.) 2002: Mittelhochdeutsche Wörterbücher im Verbund:CD-ROM und Begleitbuch. Stuttgart: Hirzel, 2002. Auch unter:www.woerterbuchnetz.de.
LIV² = Rix, Helmut/Kümmel, Martin 2001: Lexikonder indogermanischen Verben: LIV; die Wurzeln und ihre Primärstammbildungen.Unter Leitung von Helmut Rix und der Mitarbeit vieler anderer bearb. von MartinKümmel, Thomas Zehnder, Reiner Lipp, Brigitte Schirmer. 2., erw. und verb.Aufl., bearb. von Martin Kümmel und Helmut Rix. Wiesbaden: Reichert.
Matasović, Ranko 2009: Etymological Dictionary of Proto-Celtic. Leiden& Boston: Brill.
Meiser, Gerhard 1998: Lateinische Laut-und Formenlehre. Darmstadt: WissenschaftlicheBuchgesellschaft.
Pfeifer, Wolfgang (Hg.) 1993: EtymologischesWörterbuch des Deutschen. 2 Bde. 2., durchges. u. erg. Aufl. Berlin: Akad.Verlag.
Wodtko, Dagmar S./Irslinger,Britta/Schneider, Carolin 2008: Nomina imindogermanischen Lexikon. Heidelberg: Winter.

Autorinnen: Bettina Bock und Sabine Ziegler