Etymologie

Fliese

Fliese f. „Wand- oder Fußbodenplatte aus Stein oder Keramik, Kachel“ wurde im 17. Jh. aus nd., mndl. vlīse f. „Fliese, Steinplatte“ ins Hochdeutsche über­nommen. Daneben stehen ahd. flins m. (i-St.) „harter Stein, Kiesel, Feuerstein, Fel­sen“ (seit dem 9. Jh.) und – mit abweichendem Auslaut – mndd. vlint(stēin), aeng. flint u.a. Mndd. vlīse erklärt sich gegenüber diesen Bildungen als Form mit n-Schwund und Ersatzdehnung vor der Spirans, die auch in aisl. flís f. „(Holz-)Splitter; (jün­ger, unter Einfluss des Mittelniederdeutschen) Fliese, Steinplatte“ vorliegt. Somit kann man von einem gemeingerm. *flinta- (neben anderen Stammbildungen) aus­gehen. Dies wird meist als Verbalsubstantiv mit Nasalierung zur Schwundstufe einer Wur­zel *(s)plei̯(d)- „spalten“ gedeutet und mit der alten Bedeutung „Splitter“ begrün­det. Wenn es sich ursprünglich aber um die Benennung speziell des Feuersteins ge­han­delt hat, ist auch eine andere Etymologie denkbar, denn typisch für die Bruch­stellen des Feuersteins ist der Glanz, so dass eine Verbindung mit uridg. *(s)plend- „glän­zen, hell sein/werden“ erwogen werden kann und sich *flinta- so als ursprüng­liches Nomen agentis „der Glänzer“ > „der glänzende Stein“ erklärt. Splitter wie­derum sind typisch für den Feuerstein und wurden in der Steinzeit vielfältig ein­gesetzt; eine Übertragung vom Stein auf den Splitter liegt daher nahe. Die spätere Ver­wendung des Steins als plattenförmiges Baumaterial zeigt sich im Übrigen auch in eini­gen mittelhochdeutschen Belegen, die somit die Verknüpfung von Fliese und flins stüt­zen, vgl. der vlins (altarstein von marmor) (Servat. 1058, BMZ s.v. vlins); steines vlins (Pass. K.691,61, BMZ s.v. vlins).
Benennungsmotiv für die Grundbedeutung ist: <IST: glänzend>, Benennungsmotiv für die Bezeichnung im Wortfeld „Haus“: <IST: Steinplatte>.

BMZ: Benecke, Georg Friedrich 1854–1861: Mittelhochdeutsches Wörterbuch. Ausgearbeitet von W. Müller und F. Zarncke. 3 Bde. Leipzig: Hirzel. Auch in: Burch, Thomas/Fournier, Johannes/Gärtner, Kurt (Hgg.) 2002: Mittelhochdeutsche Wörterbücher im Verbund: CD-ROM und Begleitbuch. Stuttgart: Hirzel, 2002. Auch unter: www.woerterbuchnetz.de.
EWA: Lloyd, Albert L./Lühr, Rosemarie 1988–: Etymologisches Wörterbuch des Althochdeutschen. Bd. 1–. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, s.v. flins.
Kluge, Friedrich 2002: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Begr. Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 24., durchges. und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter, s.v. Fliese.
LIV: Rix, Helmut/Kümmel, Martin 2001: Lexikon der indogermanischen Verben: LIV; die Wurzeln und ihre Primärstammbildungen. Unter Leitung von Helmut Rix und der Mitarbeit vieler anderer bearb. von Martin Kümmel, Thomas Zehnder, Reiner Lipp, Brigitte Schirmer. 2., erw. und verb. Aufl., bearb. von Martin Kümmel und Helmut Rix. Wiesbaden: Dr. Ludwig Reichert-Verlag, s.v. *splend-.
Pfeifer, Wolfgang (Hg.) 1993: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2 Bde. 2., durchges. u. erg. Aufl. Berlin: Akad. Verl., s.v. Fliese.

Pokorny, Julius 2002: Indogermanisches etymologisches Wörterbuch. 2 Bde. 4. Aufl. Bern, Stuttgart: Francke, s.v. (s)plei-.

 
Autorin: Bettina Bock