Gesicht
Gesicht ist seit ahd. Zeit bezeugt. Dort lautet es gisiht und ist ein fem. i-Stamm, hat aber eine größere Denotationsbreite als das nhd. Gesicht (EWA IV: 392). Ahd. gisiht bedeutet "Sehen, Betrachtung, Blick; Anblick, Aussehen; Erscheinung, Vision; Auge; Angesicht". Ahd. gisiht, mhd. gesiht "Sehen, Betrachtung, Blick; Anblick, Aussehen; Erscheinung, Vision; Auge; Angesicht" (also mit derselben Bedeutungsbreite wie das Ahd.), nhd. Gesicht ist ein altes Nomen actionis mit dem Präfix ahd. gi-, ab mhd. ge-, zum Verbum ahd. sehan, nhd. sehen.
Das Verbum sehen, ahd. sehan, ist auch in got. saiƕan, anord. sjá, fär. siggja, aengl. sēon, afries. siā, siān, siēn, asächs. sehan, ndl. zien, bezeugt. Alles Verben sind stark flektiert. Daraus lässt sich ein starkes germanisches Verbum *seƕan rekonstruieren (Kroonen 2013 s.v.). Dieses *seƕan geht auf ein uridg. thematisches Präsens *sekw-e/o- "sich anschließen, folgen" zurück. Dazu gehören noch aind. sac-a- "folgen", griech. hepe/o- "folgen", lat. seque/o- "folgen" und air. sech(e/o-) "folgen". Die abweichende Bedeutung der germanischen Verben wird im Allgemeinen aus einer Kollokation "(mit den Augen) folgen" erklärt (LIV2: 525f., de Vaan 2008 s.v. sequor, Beekes 2009 s.v. hepomai, EWAia II s.v. sac-, Matasović 2009 s.v. sekw-o-).
Literatur:
Beekes, Robert S.P. 2009: Etymological Dictionary of Greek. Amsterdam: Brill.
De Vaan, Michiel 2008: Etymological Dictionary of Latin and the other Italic Languages. Leiden, Boston: Brill. (Leiden Indo-European Etymological Dictionary Series 7).
Goebel, Ulrich/Reichmann, Oskar 1986–: Frühneuhochdeutsches Wörterbuch. Begr. von Robert R. Anderson, Ulrich Goebel, Oskar Reichmann. Bd. 1–. Berlin u.a.: de Gruyter.
Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm 1854–1954: Deutsches Wörterbuch. Bd. 1–16 (und Quellenverzeichnis, 1971). Leipzig: Hirzel. (Nachdruck der Erstausgabe 1999: Bd. 1–33) München: Deutscher Taschenbuch-Verlag. Auch als CD-ROM 2004: Der digitale Grimm. Frankfurt am Main: Zweitausendeins. Auch unter: www.woerterbuchnetz.de.
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Kluge, Friedrich 2011: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Begr. Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 25., durchges. und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter.
Köbler AhdWb = Köbler, Gerhard: Althochdeutsches Wörterbuch, 4 Auflage, online unter http://www.koeblergerhard.de/ahdwbhin.html.
Kroonen, Guus 2013: Etymological Dictionary of Proto-Germanic, Leiden-Boston: Brill.
EWA = Lloyd, Albert L./Lühr, Rosemarie 1988–: Etymologisches Wörterbuch des Althochdeutschen. Bd. 1–. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Matasović, Ranko 2009: Etymological Dictionary of Proto-Celtic. Leiden & Boston: Brill.
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Mittelhochdeutsches Wörterbuch. Mit Benutzung des Nachlasses von Georg Friedrich Benecke ausgearbeitet von Wilhelm Müller und Friedrich Zarncke. 3 Bde. Leipzig 1854-1866. Online auch unter http://woerterbuchnetz.de/BMZ/
Matthias Lexer: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. 3 Bde. Leipzig 1872-1878.
Pfeifer, Wolfgang (Hg.) 1993: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2 Bde. 2., durchges. u. erg. Aufl. Berlin: Akad. Verl.
LIV = Rix, Helmut/Kümmel, Martin 2001: Lexikon der indogermanischen Verben: LIV; die Wurzeln und ihre Primärstammbildungen. Unter Leitung von Helmut Rix und der Mitarbeit vieler anderer bearb. von Martin Kümmel, Thomas Zehnder, Reiner Lipp, Brigitte Schirmer. 2., erw. und verb. Aufl., bearb. von Martin Kümmel und Helmut Rix. Wiesbaden: Reichert.
Autorin: Sabine Ziegler