Etymologie

Gezeug

Ahd. giziug st. m. (a-/i-St.?) oder st. n. (a-St.?), giziugi st. n. (ja-St.) „Gerät, Hausrat, Gepäck, Stoff, Mittel, Kosten, Aufwand, Grund und Boden“ glossieren unter an­derem - ahd. giziugi, mhd. gezeug hat auch die Bedeutung „männliche Genitalien“, z.B. mhd. die mannen, die maiden [„Kastraten“] sint und ir gezeug nit habent (Konrad von Megenburg, Das Buch der Natur, 1348/1350, nach BMZ s.v. meidem). Das zugehörige Deminutiv ahd. giziugilîn bedeutet ebenfalls „Gerät, Hausrat“ und „männliche Genitalien“, mhd. gezeugelin hat ausschließlich die Bedeutung „männliche Genitalien“. Hier mag sich ein euphemistischer Ausdruck (sozusagen „das Gerät“) mit einem Verb zeugen vermischt haben - lat. armamenta „Zeug, Gerät“, sarcina „Gepäck“, supellex, utensilia. Im Mittelhochdeutschen ist das Wort als giziuc, geziuc st. m., selten auch n., „Stoff, Ge­rät­schaft, Werkzeug, Aus­stattung“ bezeugt. Im Frühneuhochdeutschen lautet die Form dann gezeug, für das Ältere Neuhochdeutsche kann als letz­ter nachweisbarer Beleg ein Lexikoneintrag von 1859 Gezeug „Werkzeuge (vor allem im Bergbau), Gerätschaften“ angeführt werden, das Gegenwartsdeutsche kennt die Form nicht mehr. Die ahd. Kollektivbildung giziug und ihre Entsprechungen as. gitiuh, mndl. getuge, getuuch, getuych zeigen grammatischen Wechsel und sind de­verbale Ab­leitungen mit der Bedeutung „was herangezogen und benutzt wird“ oder eher „was gezogen wird, was beweglich ist“ zum stV. (2. Kl.) gi-ziohan „ziehen, bil­den, sich vollziehen, verlaufen, sich verhalten“. Ahd. ziohan, as. tiohan, anfrk. tian samt got. tiuhan, aengl. tēon, afr. tiā weisen auf ein thematisches urgerman. Verb teuh-a- „ziehen“ < uridg. *deuk-e/o-, das auch in lat. dūcere „ziehen, führen; bewegen“ erscheint. Das Benennungsmotiv ist hier die Beweglichkeit der Habe.

Literatur:
Goebel, Ulrich/Reichmann, Oskar 1986–: Frühneuhochdeutsches Wörterbuch. Begr. von Robert R. Anderson, Ulrich Goebel, Oskar Reichmann. Bd. 1–. Berlin u.a.: de Gruyter.
Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm 1854–1954: Deutsches Wörterbuch. Bd. 1–16 (und Quellenverzeichnis, 1971). Leipzig: Hirzel. (Nachdruck der Erstausgabe 1999: Bd. 1–33) München: Deutscher Taschenbuch-Verlag. Auch als CD-ROM 2004: Der digitale Grimm. Frankfurt am Main: Zweitausendeins. Auch unter: www.woerterbuchnetz.de.
Karg-Gasterstädt, Elisabeth u.a. 1952–: Althochdeutsches Wörterbuch. Auf Grund der von Elias von Steinmeyer hinterlassenen Sammlungen im Auftr. der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig bearb. von Elisabeth Karg-Gasterstädt und Theodor Frings. Bd. 1–. Berlin: Akad.-Verl.
Kluge, Friedrich 2011: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Begr. Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 25., durchges. und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter.
Kroonen, Guus 2013: Etymological Dictionary of Proto-Germanic, Leiden-Boston: Brill.
Lloyd, Albert L./Lühr, Rosemarie 1988–: Etymologisches Wörterbuch des Althochdeutschen. Bd. 1–. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Mayrhofer, Manfred 1992–2001: Etymologisches Wörterbuch des Altindoarischen. 3 Bde. Heidelberg: Winter.
Mittelhochdeutsches Wörterbuch. Mit Benutzung des Nachlasses von Georg Friedrich Benecke ausgearbeitet von Wilhelm Müller und Friedrich Zarncke. 3 Bde. Leipzig 1854-1866. Online auch unter http://woerterbuchnetz.de/BMZ/
Matthias Lexer: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. 3 Bde. Leipzig 1872-1878.
Pfeifer, Wolfgang (Hg.) 1993: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2 Bde. 2., durchges. u. erg. Aufl. Berlin: Akad. Verl.
Rix, Helmut/Kümmel, Martin 2001: Lexikon der indogermanischen Verben: LIV; die Wurzeln und ihre Primärstammbildungen. Unter Leitung von Helmut Rix und der Mitarbeit vieler anderer bearb. von Martin Kümmel, Thomas Zehnder, Reiner Lipp, Brigitte Schirmer. 2., erw. und verb. Aufl., bearb. von Martin Kümmel und Helmut Rix. Wiesbaden: Reichert.
 
Autorin: Sabine Ziegler