Giebel
Das
Wort Giebel m. „der meist
dreieckige, obere Teil der Wand an der Schmalseite eines Gebäudes, der nach
oben vom Dach begrenzt wird“ ist
in der Form ahd. gibil m. (a-St.) mit der Bedeutung „Vorderseite,
Stirnseite, Front, Pol, Schädeldecke, Hirnseite“ seit dem 10. Jh. belegt.
Ahd. gibil, neben gibili n. (ja-St.), hat Entsprechungen in mndd. gevel m., mndl. gevel m.
und ferner in aisl., nisl. gafl m., fär. galvur „Giebelseite“, nnorw. gavl,
nschw. gavel „Querwand“, ndän. gavl „Teil der Querwand“. Zugrunde liegt
urgerman. *ǥaƀla-. Daneben findet sich ahd. gebal m. (a-St.)
mit der Bedeutung „Hirnschale, Schädel“, belegt seit dem 9. Jh. Dies geht
über wgerm. *gebl̥2 auf
urgerman. *ǥeƀla- zurück, vgl. got. gibla m. (n-St.) „Giebel“, das wohl eine direkte Weiterbildung mit n-Suffix ist.
Die germanischen Formen lassen sich mit gr. kephalḗ f. „Kopf“ und toch. A
śpāl „Kopf“ verbinden.
Urindogermanisches Rekonstrukt ist *ghebhh2-lo/eh2-.
Als Grundbedeutung ist von „Kopf“ auszugehen. Die Verbindung zwischen „Kopf“
und „Giebel“ kann das prototypische Merkmal <IST: oben> sein, allerdings
passt dazu nicht das für „Giebel“ und „Querwand“ vorauszusetzende Merkmal
<IST: an der Seite>. Entscheidend für die Benennung könnte die
Blickrichtung sein, insbesondere dann, wenn der Eingang zum Haus auf der
Giebelseite lag, z.B. bei größeren Wohnstallhäusern des 1./2. Jh. (Krüger u.a. 1983: 322 f.). Die Verbindung zur Wortfamilie um Gabel ist semantisch nur schwer zu
begründen: Das für die Gabel entscheidende
Merkmal <IST: Gabelung in zwei Stränge> lässt sich für den Giebel
allenfalls beim Blickwinkel von oben sehen, nur war und ist das den Giebel
bildende Dreieck sicher prägnanter. Ein Zusammenhang mit der Bauweise ist auch
nicht naheliegend, da der Giebel eher passiv entsteht.
Benennungsmotiv für die Grundbedeutung
und die Bezeichnung im Wortfeld „Haus“ ist: <IST: oben>.
EWA:
Lloyd, Albert L./Lühr, Rosemarie 1988–: Etymologisches Wörterbuch des
Althochdeutschen. Bd. 1–. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, s.v. gebal, gibili.
Kluge,
Friedrich 2002: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Begr.
Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 24., durchges. und erw. Auflage. Berlin
u.a.: de Gruyter, s.v. Giebel.
Krüger, Bruno
(u.a.) 1983: Die Germanen. Geschichte und
Kultur der germanischen Stämme in Mitteleuropa; ein Handbuch in zwei Bänden.
Bd. 1. 4., überarb. Aufl. Berlin: Akademie-Verlag.
Pfeifer,
Wolfgang (Hg.) 1993: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2 Bde. 2.,
durchges. u. erg. Aufl. Berlin: Akad. Verl., s.v. Giebel.
Autorin: Bettina Bock