Etymologie

Kasten

Kasten „Behälter, Truhe, Schrank, Speicher“ ist schon im Althochdeutschen als chasto, kasto sw. m. (n-St.) bezeugt. Jüngere Formen sind mhd. kaste „Behälter, Truhe, Speicher“, mndd. caste „Schrank, Truhe; Kornspeicher“, nndl. kast „Schrank“. Das ab dem Frühneuhochdeutschen belegte auslautende -n stammt aus den obliquen Kasus. Wahrscheinlich handelt es sich um eine westgermanische Ableitung mit dem urgerman. Suffix *-ta- (wie etwa ahd. huosto sw. m. (n-St.) „Husten“ – ebenfalls mit aus den obliquen Kasus verallgemeinertem Auslaut -n – aus vorurgerman. *kōs-ton- zu aind. ks- f., ksa- m. „Husten“; zu diesem und zur zugrunde liegenden uridg. Wurzel *keh2s-/koh2s- „husten“ vgl. EWA IV: 1271ff., EWAia I: 346 f. mit weiterer Literatur) des in got. kas n. (a-St.), ahd. kar n. (a-St.) „Krug, Gefäß, Be­hälter“ bezeugten urger­man. Substantivs *kasa- bzw. mit grammatischem Wechsel *kaza- „Behälter, Gefäß“ < vorurgerman. *goso- „Träger; Tragebehälter“. Dieses Substantiv deutet auf eine vorurgerman. Wurzel *ges-/gos-, die am besten mit De Vaan 2008: 259 zu lat. gerō, gerere „bringen, tragen“ zu stellen ist. Zugrunde liegt letzt­lich eine Ableitung westidg. *h2ĝ-es- „tragen, bringen“ von uridg. *h2eĝ- „führen, trei­ben“. Die Grundbedeutung ist also „Tragebehälter“ wie lat. capulus „Griff, Gefäß; Sarg“ zu lat. capere „nehmen, fassen, ergreifen“ oder lat. feretrum „Trage, Bahre“, griech. phér(e)tron „Gestell, Korb, Trage“ zur Wurzel lat. fer-, griech. pher- „tragen, bringen“. In bairisch-österreichischen Mundarten bedeutet Kasten „Schrank“, vgl. etwa Fotoausrüstung, Trachtenkostüm, Beamer und andere Dinge, die man nie braucht, aber doch im Kasten hat, einer häufigeren Nutzung zuzuführen: In der jüngeren Generation wird Teilen statt Besitzen zu einer Selbstverständlichkeit (Salzburger Nachrichten: http://www.salzburg.com/nachrichten/kolumne/gewagt-gewonnen/sn/artikel/ couch-und-auto-teilen-der-staat-ist-darauf-nicht-vorbereitet-63637/; vgl. auch http://www.ostarrichi.o rg/wort-322-at-Kasten.html). Das deutsche Wort ist in estn. kast „Box“ entlehnt (http://worterbuch-deutsch.com/worterbuch-estnisch-deutsch.html).

Literatur:
Goebel, Ulrich/Reichmann, Oskar 1986–: Frühneuhochdeutsches Wörterbuch. Begr. von Robert R. Anderson, Ulrich Goebel, Oskar Reichmann. Bd. 1–. Berlin u.a.: de Gruyter.
Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm 1854–1954: Deutsches Wörterbuch. Bd. 1–16 (und Quellenverzeichnis, 1971). Leipzig: Hirzel. (Nachdruck der Erstausgabe 1999: Bd. 1–33) München: Deutscher Taschenbuch-Verlag. Auch als CD-ROM 2004: Der digitale Grimm. Frankfurt am Main: Zweitausendeins. Auch unter: www.woerterbuchnetz.de.
Karg-Gasterstädt, Elisabeth u.a. 1952–: Althochdeutsches Wörterbuch. Auf Grund der von Elias von Steinmeyer hinterlassenen Sammlungen im Auftr. der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig bearb. von Elisabeth Karg-Gasterstädt und Theodor Frings. Bd. 1–. Berlin: Akad.-Verl.
Kluge, Friedrich 2011: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Begr. Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 25., durchges. und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter.
Kroonen, Guus 2013: Etymological Dictionary of Proto-Germanic, Leiden-Boston: Brill.
Lloyd, Albert L./Lühr, Rosemarie 1988–: Etymologisches Wörterbuch des Althochdeutschen. Bd. 1–. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Mayrhofer, Manfred 1992–2001: Etymologisches Wörterbuch des Altindoarischen. 3 Bde. Heidelberg: Winter.
Mittelhochdeutsches Wörterbuch. Mit Benutzung des Nachlasses von Georg Friedrich Benecke ausgearbeitet von Wilhelm Müller und Friedrich Zarncke. 3 Bde. Leipzig 1854-1866. Online auch unter http://woerterbuchnetz.de/BMZ/
Matthias Lexer: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. 3 Bde. Leipzig 1872-1878.
Pfeifer, Wolfgang (Hg.) 1993: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2 Bde. 2., durchges. u. erg. Aufl. Berlin: Akad. Verl.
Rix, Helmut/Kümmel, Martin 2001: Lexikon der indogermanischen Verben: LIV; die Wurzeln und ihre Primärstammbildungen. Unter Leitung von Helmut Rix und der Mitarbeit vieler anderer bearb. von Martin Kümmel, Thomas Zehnder, Reiner Lipp, Brigitte Schirmer. 2., erw. und verb. Aufl., bearb. von Martin Kümmel und Helmut Rix. Wiesbaden: Reichert.
Wackernagel, Jakob: Altindische Grammatik Band I: Lautlehre, mit einer Introduc­tion générale hrsg. von Louis Renou, 1957; Band II, 1. Einleitung zur Wortlehre. Nominalkomposition, 19572=1905; Band II, 2: Die Nominalsuffixe, 1954; Band III: Nominalflexion – Zahlwort – Pronomen, 1930. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 

 Autorin: Sabine Ziegler