Kerbel
Ahd. kerfil, kervil stm., kervola, kervilla swf., mhd. kervel m., kervele, kerbele f., änhd. Kerbel, Körbel, Körfel, Kerfel m., nhd. Kerbel "Echter Kerbel, Anthriscus cerefolium" ist auf vorahd. *kerfulja zurückzuführen, das vor der Affrizierung und vor der Lautverschiebung aus mlat. *cerfilia zu lat. cerefolium übernommen wurde. Die femininen Formen stammen aus dem lat. n.Pl. *cer(e)folia. Die späteren b-Formen dürften durch sekundäre Angleichung an kerben entstanden sein, die durch die stark eingekerbten Blätter ausgelöst war.
Lat. cerefolium soll auf griech. *χαιρέ-φυλλον "Kerbel" zurückgehen (EWA 2013: 485; Kluge/Seebold 2011: 487), wobei das Hinterglied an lat. folium "Blatt"angeglichen wurde. Das griech. Wort ist allerdings nicht bezeugt, sondern aus einer Stelle bei Columella 3,11 erschlossen: Chaerephyllum itemque holus atriplicis, quod Graeci vocant ἀνδράφαξιν, circa Kalendas Octobres obrui oportet non frigidissimo loco "Das Kerbelkraut und ebenso die Melde, die die Griechen andráphaxis nennen, soll man in nicht zu kalter Gegend um den 1. Oktober anbauen." Die Handschriften bieten für die Stelle mehrere Lesarten, darunter auch chaerefilium, chaerephyllium, cerphylium u.a. (Richter 1983: 132), und das wirkt in der Tat so, als hätten die Abschreiber das Wort für griechisch gehalten, aber ob man deswegen ein sonst nirgendwo bezeugtes Wort rekonstruieren muss, das innergriechisch nicht plausibel zu deuten ist, bleibt doch fraglich. Kluge/Seebold 2011: 487 deutet das Wort als "liebliches Blatt", und auch in EWA 2013: 485 wird griech. χαίρω "freue mich" beigezogen. Das ist aber nicht nur morphologisch bedenklich, sondern "Freue-Blatt" liefert auch kein nachvollziehbares Benennungsmotiv (so schon Genaust 1989: 144). Das Wort muss also weiterhin als etymologisch ungedeutet gelten.
Lit.
EWA 2013: Rosemarie Lühr, Etymologisches Wörterbuch des Althochdeutschen Band V: iba - luzzilo, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Genaust 1989: Helmut Genaust, Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen, 3. vollständig überarbeitete und erweiterte Ausgabe. Basel: Springer.
Kluge/Seebold 2011: Kluge. Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, bearbeitet von Elmar Seebold, 25. Auflage, Berlin: de Gruyter.
Richter 1983: Lucius Iunius Moderatus Columella, Zwölf Bücher über die Landwirtschaft. München/Zürich: Artemis.