Etymologie

Klugheit

Klugheit f. ist erst ab mittelhochdeutscher Zeit belegt undzeigt wahrscheinlich ebenfalls das Benennungsmotiv „nehmen“ >„erkennen/wissen“: mhd. kluocheit,vgl. ein kluokeit, behendikeit und gevuokeit„eine Klugheit, Behändigkeit und Geschicklichkeit“ Renn. 7126 (13. Jh., Lexers.v. kluocheit). Die Basis bildet das Adjektiv klug,mhd. kluoc „fein; verständig, klug“< mndd. klōk „behende, schnell;schlau, verständig“, vgl. noch mndl. cloec„tapfer, schlau“, das keine gesicherte Etymologie hat. Die genannten Adjektivekönnten auf westgerm. *klōk(k)a- weisen(IEW s.v. 1. gel-; Pfeifer s.v. klug ), das ein urindogermanisches Transponat*⁽ĝ⁾leh2/3k-nó-voraussetzt. Der Ansatz einer dehnstufigen Form uridg. *glōk-nó- ist rein lautlich zwar denkbar, aber die Wortbildung dernormalerweise schwundstufigen oder selten auch vollstufigen adjektivischen -Ableitungen spricht gegen den Ansatzeiner Dehnstufe oder Vddhi. Der Langvokal erfordert somit einen Laryngal, dervermutete Zusammenhang mit air. glicc„schlau, klug“ muss daher entfallen. Zudem kann bei Eintreten von Kluges Gesetzauch ein anderer wurzelschließender Laut rekonstruiert werden, so dass außerdemurindogermanische Wurzelansätze wie *⁽ĝ⁾leh2/3⁽ĝ⁾-oder *⁽ĝ⁾leh2/3⁽ĝ⁾h-möglich sind. Somit ist eine Verbindung von klug mit air. glacaid„ergreifen“, das zu air. glac(c)ā-St., f. „Hand, Griff“ < *⁽ĝ⁾lh2/3K-neh2-gehört, besser und bildet ein weiteres Beispiel für die Konzeptmetapher NEHMEN> ERKENNEN/WISSEN.

Literatur:
Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm1854–1954: Deutsches Wörterbuch. Bd. 1–16 (und Quellenverzeichnis,1971). Leipzig: Hirzel. (Nachdruck der Erstausgabe 1999: Bd. 1–33) München:Deutscher Taschenbuch-Verlag. Auch als CD-ROM 2004: Der digitale Grimm.Frankfurt am Main: Zweitausendeins. Auch unter: www.woerterbuchnetz.de.
AhdWb = Karg-Gasterstädt, Elisabethu.a. 1952–: Althochdeutsches Wörterbuch. Auf Grund der von Elias vonSteinmeyer hinterlassenen Sammlungen im Auftr. der Sächsischen Akademie derWissenschaften zu Leipzig bearb. von Elisabeth Karg-Gasterstädt und TheodorFrings. Bd. 1–. Berlin: Akad.-Verl.
EWD = Kluge, Friedrich 2011: Etymologisches Wörterbuch der deutschenSprache. Begr. von Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 25., durchges.und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter.
Köbler AhdWb = Köbler, Gerhard:Althochdeutsches Wörterbuch, 4 Auflage, online unterhttp://www.koeblergerhard.de/ahdwbhin.html.
Kroonen, Guus 2013: EtymologicalDictionary of Proto-Germanic, Leiden-Boston: Brill.
EWA = Lloyd, Albert L./Lühr,Rosemarie 1988–: Etymologisches Wörterbuch des Althochdeutschen. Bd. 1–.Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Pfeifer, Wolfgang (Hg.) 1993: EtymologischesWörterbuch des Deutschen. 2 Bde. 2., durchges. u. erg. Aufl. Berlin: Akad.Verl.
LIV = Rix, Helmut/Kümmel, Martin2001: Lexikon der indogermanischen Verben: LIV; die Wurzeln und ihrePrimärstammbildungen. Unter Leitung von Helmut Rix und der Mitarbeit vieleranderer bearb. von Martin Kümmel, Thomas Zehnder, Reiner Lipp, BrigitteSchirmer. 2., erw. und verb. Aufl., bearb. von Martin Kümmel und Helmut Rix.Wiesbaden: Reichert.
Lühr, Rosemarie 1985: „Fälle vonDoppelkonsonanz im Keltischen: Zur Frage ihrer Genese“. In: Sprachwissenschaft 10, 274–346.
Zair, Nicholas 2012: The Reflexes of the Proto-Indo-EuropeanLaryngeals in Celtic. Amsterdam: Brill.

Autorinnen: Bettina Bock und SabineZiegler