Etymologie

Lade

Lade zeigt erstmalig im 15. Jh. neben der alten Bedeutung „Behälter, Kasten, Truhe“ auch eine metonymische Übertragung auf Berufsvereinigungen: das … under ain iedes tor ain redlich … man us der lad bestellet werd, der schriben und lesen künd und, wer herein rit, dieselben zu beschriben (1464 NördlingenStR. 227, DRW s.v. Lade) „das unter jedes Tor ein redlicher Mann aus der Lade hingestellt wird, der schreiben und lesen kann, um, wer hereinreitet, diese Leute zu erfassen“. Die Übertragung erklärt sich im Frame: In den Zunftladen oder –truhen (je nach Region gibt es weitere Bezeichnungen) wurden wichtige Dokumente der Zunft, Geld und andere wertvolle Dinge aufbewahrt. Die Lade befand sich in der Regel im Haus des Vorstands oder im Zunfthaus. Versammlungen wurden bei geöffneter Lade durchgeführt. So konnte die Lade zum Ausdruck für diese Versammlung werden, ebenso wegen ihrer zentralen Rolle für eine Zunft aber auch zur Bezeichnung für die Berufsvereinigung, vgl. so auch schon Adelung s.v. Lade: Bey den Handwerkern wird der Kasten, oder das Behältniß, worin sie ihre Freyheitsbriefe, Urkunden, ihre gemeinschaftliche Casse u.s.f. verwahren, die Lade genannt, welchen Nahmen auch figürlich die Zusammenkunft der Vorsteher und Meister einer Zunft führet, weil sie an dem Orte geschieht, wo sich diese Lade befindet, und dieselbe dabey geöffnet wird. Benennungsmotiv ist damit der materieller Fixpunkt einer Berufsvereinigung.
Lade ist seit dem 13. Jh. belegt. Germanische Verwandte finden sich in den gleichbedeutenden Wörtern mndd. mndl. lāde, ndl. lade und in anord. hlaða „Scheune, Heuschuppen“, schwed. lada „Scheune“, Nomina loci zum Verb nhd. laden „eine Last auf ein Transportmittel bringen, (eine Feuerwaffe) mit Munition versehen, mit Elektrizität versehen“ bzw. seinen Entsprechungen. Das Verb ist seit dem 9. Jh. belegt: ahd. (h)ladan „beladen, aufladen, belasten“. Zusammen mit asächs. hladan, mndd. lāden „beladen, aufladen, verladen, eine Feuerwaffe laden“, mndl. laden „laden, aufladen, beladen“, aengl. hladan „laden, aufhäufen, bauen, belasten, (Wasser) schöpfen“, aisl. hlaða „laden, aufbauen, fallen lassen, töten“, got. ‑hlaþan* „beladen“ u. a. < urgerm. *χlaþe/a‑ (die Unterschiede im Wurzelauslaut erklären sich durch einzelsprachliche Verallgemeinerungen des grammatischen Wechsels). Diese Form ist eine ursprüngliche *‑te/o-Erweiterung (und damit eine frühe verbale Ableitung zu einem to-Partizip) zu einer Wurzel vorurgerm. *kleh2‑ „hinbreiten, hinlegen“, die noch im Baltoslawischen fortgesetzt ist; vgl. lit. klóti (klóju, klójau) „hinbreiten, ausbreiten, überdecken, den Weg bahnen“ und lett. klât, klâju „decken, hinbreiten“. Aus dem Nominalbereich gehört dazu lit. klúonas „Getreidedarre, Scheune, zum Dreschen ausgebreitete Getreidelage“ < urbalt. *klōnas < vorurbalt. *kloh2-no‑ (nach Smoczyński 2005: 353 Anm. 823). Aksl. klasъ „legte“ < vorurslaw. *klḗh2‑/*kléh2-s‑ setzt einen alten s-Aorist fort. Daneben gibt es ein d(h)-Präsens aksl. klasti (< *klad-ti) „legen, laden“. Die Nomina loci bezeichneten damit den „Ort, wo etwas hin(ein)gelegt“ wird. Ursprünglich bildete das Suffix ahd. ‑a > nhd. ‑e Nomina actionis. Diese konnten gemäß der Konzeptmetonymie HANDLUNG > ORT DER HANDLUNG zu Nomina loci umgedeutet werden, vgl. nhd. bleiben : Bleibe „das Bleiben“ > „Ort, wo man bleibt“. Vgl. zum mittelhochdeutschen Suffix ‑e zur Bildung von Nomina loci ferner Klein/Solms/Wegera 2009: 62 und 70 f.

Adelung: Adelung, Johann Christoph 1793-1801: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart. Leipzig. Elektronische Volltext- und Faksimile-Edition nach der Ausgabe letzter Hand. Berlin: Directmedia 2004. (Digitale Bibliothek 40). online unter http://woerterbuchnetz.de/Adelung/.
DRW: Deutsches Rechtswörterbuch. http://drw-www.adw.uni-heidelberg.de/drw/.
EWA: Lloyd, Albert L./Lühr, Rosemarie 1988–: Etymologisches Wörterbuch des Althochdeutschen. Bd. 1–. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, s.v. ladan.
Klein, Thomas/Solms, Hans-Joachim/Wegera, Klaus-Peter 2009: Mittelhochdeutsche Grammatik. Teil 3: Wortbildung. Bearbeitet von Birgit Herbers, Thomas Klein, Aletta Leipold, Eckhard Meineke, Simone Schultz-Balluff, Heinz Sieburg, Hans-Joachim Solms, Sandra Waldenberger, Klaus-Peter Wegera, Britta Weimann. Tübingen: Niemeyer.
Kluge, Friedrich 2002: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Begr. Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 24., durchges. und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter, s.v. laden1.
Pfeifer, Wolfgang (Hg.) 1993: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2 Bde. 2., durchges. u. erg. Aufl. Berlin: Akad. Verl., s.vv. Lade, 1laden.
Smoczyński, Wojciech 2005: Lexikon der altpreußischen Verben. Innsbruck: Verlag des Instituts für Sprachen und Literaturen (Innsbrucker Beiträge zur Sprachwissenschaft; 117).

Autorin: Bettina Bock