Etymologie

Mittel

Mittel zeigt im Neuhochdeutschen eine breite Bedeutungsvielfalt: „Durchschnitt(swert); Hilfe; Maßnahme; Arznei“. Für das Ältere Neuhochdeutsche belegt Adelung s.v. Mittel „taube Bergmittel […] taube Bergarten […]; […] Gesellschaft, Zunft, Verbindung mehrerer Personen […]; […] dasjenige, was in der Mitte ist […]; […] wirkende Ursache, sofern man sich ihrer zur Erreichung einer Absicht bedienet, […] s. auch Hülfsmittel; […] Arzeneymittel […];[…] Vermögen, Reichthum“. Im Frühneuhochdeutschen finden wir „Mitte; Gemeinschaft, Zunft; Vermittlung; Hilfe, Hilfsmittel“. Für das mittelhochdeutsche mittel lassen sich aus den Belegen die Bedeutungen „Mitte; Vermittlung“ gewinnen. Vergleichbar sind mndd. middel „Mitte; Vermittlung; Durchschnitt; Mittel“, mndl. ndl. middel „Mitte; Mittel“, aengl. middel „Mittel, Mittelpunkt“. Bei dem Wort handelt es sich um die Substantivierung des Adjektivs mittel „in der Mitte befindlich“ < ahd. mittil „mittlerer“ (8. Jh.). Heute ist das Adjektiv selten, vgl. den prädikativen Gebrauch in Sätzen wie Mir geht es so mittel oder In der Schule war ich mittel (nach Duden s.v. mittel). Im Älteren Neuhochdeutschen und im Frühneuhochdeutschen findet sich auch attributiver Gebrauch, z. B. aufbläht sich bis zum mittlen tau das segel (Göthe 46, 37; DWb s.v. mittel); so an mitteln orten gefangen werden, nemlich nit zunechst bei dem meer, auch nit zu öberst in den kleinen flüssen (Forer fischb.183a; DWb s.v. mittel). Vergleichen lassen sich die bedeutungsgleichen Wörter asächs. middil, mndd. mndl. ndl. middel, aengl. middel, engl. middle. Es handelt sich dabei um eine Weiterbildung von westgerm. *medj-ala- mit dem Suffix ‑ala- zur Wurzel urgerm. *međ- „in der Mitte befindlich“ neben dem Adjektiv urgerm. *međja- < uridg. *medhi̯o- „mittlerer“, das auch noch in den gleichbedeutenden Adjektiven lat. medius, griech. μέσος (mésos) und aind. mádhya- fortlebt.
Die Bedeutungsübertragung von „Mitte“ auf eine „Gemeinschaft“ und weiter speziell „Zunft“ ging wohl von den Kollokationen des Typs in die Mitte von Personen treten/in der Mitte von Personen sein aus, vgl. denn Christus saget, wo zween mit einander eines sind auf erden, da bin ich in irem mittel (Luther 1, 310a; DWb s.v. Mittel) „denn Christus sagt, wo zwei miteinander eins sind auf Erden, da bin ich in ihrer Mitte“. Hier ist im Frame auch die Lesart in einen Personenkreis/eine Gemeinschaft treten bzw. in einem Personenkreis/einer Gemeinschaft sein möglich. Daraus wurde dann die Bedeutung „Gemeinschaft“ abstrahiert, die weiter durch hyponymische Bedeutungsverengung zu „Berufsgenossenschaft“ führte:

- „Gemeinschaft“: hat der erbar rath … zwen herrn yrs mittels zum pfarrer geschickt (1507 KamenzUB. 160, DRW s.v. Mittel) „hat der ehrbare Rat zwei Herren seiner Gemeinschaft zum Pfarrer geschickt“
- „Berufsgenossenschaft“: ordnen … wir, das hinfuro kein gesell zum meisterrechtt gelassenn vnd ins mittel angenomen werden soll, er hab dann … zuuor drej jar lang … in arbeitt gestanden (1565 Hintze, BreslGoldschm. 188, DRW s.v. Mittel) „ordnen wir an, dass künftig kein Geselle zum Meisterrecht zugelassen und in die Zunft aufgenommen werden soll, sofern er nicht zuvor drei Jahre gearbeitet hat“

Diese Bedeutungsentwicklung ist im Wesentlichen auf den ostmitteldeutschen Raum begrenzt. Das Benennungsmotiv ist „Gemeinschaft“.
Vgl. zur Wortfamilie auch Ermittlung (siehe dort).

Adelung: Adelung, Johann Christoph 1793-1801: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart. Leipzig. Elektronische Volltext- und Faksimile-Edition nach der Ausgabe letzter Hand. Berlin: Directmedia 2004. (Digitale Bibliothek 40). online unter http://woerterbuchnetz.de/Adelung/.
DRW: Deutsches Rechtswörterbuch. http://drw-www.adw.uni-heidelberg.de/drw/.
Duden: Wissenschaftlicher Rat der Dudenredaktion (Hg.) 2000: Duden – Das große Wörterbuch. Mannheim: Verlag Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG. CD-ROM auf der Basis der 3., völlig neu bearb. und erw. Auflage der Buch-ausgabe in 10 Bänden (1999).
DWb: Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm 1854–1954: Deutsches Wörterbuch. Bd. 1–16 (und Quellenverzeichnis, 1971). Leipzig: Hirzel. (Nachdruck der Erstausgabe 1999: Bd. 1–33) München: Deutscher Taschenbuch-Verlag. Auch als CD-ROM 2004: Der digitale Grimm. Frankfurt am Main: Zweitausendeins. Auch unter: www.woerterbuchnetz.de.
Kluge, Friedrich 2002: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Begr. Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 24., durchges. und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter, s.v. mittel.
Pfeifer, Wolfgang (Hg.) 1993: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2 Bde. 2., durchges. u. erg. Aufl. Berlin: Akad. Verl., s.vv. mittel, Mittel.

Autorin: Bettina Bock