Etymologie

Mord

Mord m. „absichtliche Tötung eines oder mehrerer Menschen“ ist bereits in ahd. mord m. und n., mhd. mort bezeugt; vgl. asächs. morð, aengl. morþ, mndd. mōrt, mndl. moort, mort, anord. morð < urgerman. *murþa- m. und n. etwa *„Zustand des Ge­tötet­seins“ (Kroonen 2013: 378), das auch in einigen Komposita vorliegt, z.B. ahd. (mit latinisierter Endung) morddodus, morddaudus, mordtotus „ermordet“. Eine wahrscheinlich innergerma­nisch gebildete ‑þra-Ableitung (aus uridg. *-tro-) ist in got. maurþr n., aengl. morðor n. und m. „Mord; Tod“ < urgerman. *murþra- n. belegt; sie liegt ferner dem entlehnten mittel­lateini­schen Verb mor­d­rire, murthrire, murdrire „ermor­den“ (Köbler AhdWb s.vv. und Lexicon Mediae Latinitatis s.vv. ; < urgerman. *murþra- mit lat. Suffix -ire) so­wie mlat. mor­drum, morthrum, mur­th­rum, murdrum „Mord“ zu­grunde. In anderen Spra­chen ent­spre­chen aind. mtá- „gestorben, tot“, griech. brotós „tot; Sterblicher“ < uridg. *m-tó- „gestorben“ (Partizip Perfekt Passiv der Wurzel *mer- "Sterben", LIV²: 439f.; NIL: 489). Die Bildung mit Suffix *-tro- ist bei dieser Wurzel nur in den ger­manischen Sprachen nachweisbar, eine bedeutungsähnliche Ableitung begegnet in air. marbad u, m. „absichtliche Tötung, Mord“ (< urir. *mar--ātu-, Ableitung vom Adj. air. marb „tot“ < uridg. *m-ó-).
Nur in den ger­ma­ni­schen und keltischen Sprachen hat die Wurzel *mer- „sterben“ die Konnotation „durch Gewalt oder Absicht“ erhalten. Da in den germanischen und keltischen Sprachen die Verben jeweils Ableitungen des Verbal­adjektivs *m-tó- oder *m-ó- „gestorben, tot“ sind, lässt sich die Bedeutung als *„jemanden tot machen“ unschwer erschließen. In allen anderen indogerma­nischen Sprachen bedeutet die Wurzel *mer- aus­schließlich „sterben, verschwinden“. Der In LIV²: 439f.halt „Mord = absichtliche Tötung eines Menschen“ wird in anderen Sprachen z.B. mit aind. vadhá‑, lat. caedēs, nēx, griech. phónos und aksl. ubijьstvo bezeichnet. Nach Duden 2000 s.v. ist Mord die „Tötung eines oder mehrerer Menschen aus nied­rigen Beweggründen [Hervorhebung Sa.Zi.].“ Diese Definition stammt aus dem Jahr 1941 und soll nach dem Willen des Bundes­jus­tiz­ministers bald geändert wer­den, denn der Paragraf § 211 des Strafgesetzbuches („(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheits­strafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet“ [Hervorhebung Sa.Zi.]) beschreibt „nicht, wann eine Tat ein Mord ist“, sondern einen Men­schen­typus mit moralisch aufgela­denen Ge­­sinnungsmerkmalen wie „niedrige Be­weg­­gründe“ oder „Heimtücke“ (vgl. Bundesjustizministerium, Interview mit der Süddeutschen Zeitung vom 8.2.2014).
morden, ermorden „jemanden vorsätzlich töten“ ist ebenfalls bereits in ahd. murdren, murden, morden, mhd. mürden, mörden, morden bezeugt. Das Nomen agentis Mörder m. „wer einen Mord begeht“ ist seit mhd. mordære nachweisbar.

Literatur:
DRW = Deutsches Rechtswörterbuch, online unter http://drw-www.adw.uni-heidelberg.de/drw/.
Duden = Wissenschaftlicher Rat der Dudenredaktion (Hg.) 2000: Duden – Das große Wörterbuch. Mannheim: Verlag Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG. CD-ROM auf der Basis der 3., völlig neu bearb. und erw. Auflage der Buchausgabe in 10 Bänden (1999). 
Goebel, Ulrich/Reichmann, Oskar 1986–: Frühneuhochdeutsches Wörterbuch. Begr. von Robert R. Anderson, Ulrich Goebel, Oskar Reichmann. Bd. 1–. Berlin u.a.: de Gruyter.
Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm 1854–1954: Deutsches Wörterbuch. Bd. 1–16 (und Quellenverzeichnis, 1971). Leipzig: Hirzel. (Nachdruck der Erstausgabe 1999: Bd. 1–33) München: Deutscher Taschenbuch-Verlag. Auch als CD-ROM 2004: Der digitale Grimm. Frankfurt am Main: Zweitausendeins. Auch unter: www.woerterbuchnetz.de.
Karg-Gasterstädt, Elisabeth u.a. 1952–: Althochdeutsches Wörterbuch. Auf Grund der von Elias von Steinmeyer hinterlassenen Sammlungen im Auftr. der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig bearb. von Elisabeth Karg-Gasterstädt und Theodor Frings. Bd. 1–. Berlin: Akad.-Verl.
Kluge, Friedrich 2011: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Begr. Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 25., durchges. und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter.
Köbler AhdWb = Köbler, Gerhard: Althochdeutsches Wörterbuch, 4 Auflage, online uter http://www.koeblergerhard.de/ahdwbhin.html. 
Kroonen, Guus 2013: Etymological Dictionary of Proto-Germanic, Leiden-Boston: Brill.
Lloyd, Albert L./Lühr, Rosemarie 1988–: Etymologisches Wörterbuch des Althochdeutschen. Bd. 1–. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Mayrhofer, Manfred 1992–2001: Etymologisches Wörterbuch des Altindoarischen. 3 Bde. Heidelberg: Winter.
Mittelhochdeutsches Wörterbuch. Mit Benutzung des Nachlasses von Georg Friedrich Benecke ausgearbeitet von Wilhelm Müller und Friedrich Zarncke. 3 Bde. Leipzig 1854-1866. Online auch unter http://woerterbuchnetz.de/BMZ/
Matthias Lexer: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. 3 Bde. Leipzig 1872-1878.
Pfeifer, Wolfgang (Hg.) 1993: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2 Bde. 2., durchges. u. erg. Aufl. Berlin: Akad. Verl.
Rix, Helmut/Kümmel, Martin 2001: Lexikon der indogermanischen Verben: LIV; die Wurzeln und ihre Primärstammbildungen. Unter Leitung von Helmut Rix und der Mitarbeit vieler anderer bearb. von Martin Kümmel, Thomas Zehnder, Reiner Lipp, Brigitte Schirmer. 2., erw. und verb. Aufl., bearb. von Martin Kümmel und Helmut Rix. Wiesbaden: Reichert.
Ziegler, Sabine 2012: “Blood and thunder” in Celtic, Hittite, and Sanskrit law. In: Stephanie W. Jamison, H. Craig Melchert, and Brent Vine (eds.). Proceedings of the 23rd Annual UCLA Indo-European Conference. Bremen: Hempen, 197-210. 
http://www.bmj. de/SharedDocs/Interviews/DE/2014/Print/20140108_Sueddeutsche_Zeitung_Wir_muessen_den_Mordparagrafen_aendern.html?nn=3433226 
http://www.spiegel.de/panorama/ justiz/mord-paragraf-justizminister-maas-spd-will-aenderung-des-stgb-a-970462.html

Autorin: Sabine Ziegler