Etymologie

Ordnung2

Ordnung f. „das Geordnetsein, ordentlicher, übersichtlicher Zustand; Anordnung; Gesetz, Recht“ ist das Abstraktum zu dem Lehnwort ordnen aus lat. ōrdināre und bereits in ahd. ordinunga, ordenunga „Einteilung, Reihe; Anordnung, Gebot“, mhd. frnhd. ordenunge „Ordnung, Einteilung, Reihe; Anordnung, Gebot“, frnhd. änhd. or­denung „Ordnung, Einteilung, Anordnung; Regel, Statut, Gesetz, Recht“ neben der syn­ko­pierten Form ord­nung bezeugt. Zu lat. ōrdināre „ordnen, in Reihen aufstellen; anordnen, regeln, befehlen“, einer Ableitung von ōrdō m.n. „Linie, Reihe; Muster, Ordnung; Regel, Satzung“, gehört das lateinische Verb ōrdīrī „ein Ge­webe anzetteln; anfangen“. Die Bildungen zeigen Vokaldehnung von ur­sprünglichem Kurzvokal vor der Folge r+Konsonant (Meiser 1998: 79 und 122). Zu­grunde liegt eine urital. Bildung *ord-n- „Reihe, Ordnung“ < uridg. *h2ord- (De Vaan 2008: 434) oder *h3d-. Dabei wird Laryn­gal *h2 deswegen angesetzt, um den Zusammenhang mit der urindogermanischen Wurzel *h2er- „sich (zusam­men)­fügen“ aufrecht zu erhalten. Von dieser Wurzel ist keine d-Erwei­terung in anderen Sprachen bezeugt, so dass auch der Ansatz einer möglicherweise selb­ständigen urindogermanischen Wurzel *h3erd- denkbar wäre, für die jedoch ebenfalls keine weiteren Belege aus anderen Sprachen vorhanden sind. Aus seman­tischen Gründen spricht nichts gegen die Verbindung von lat. ōrdō „Linie, Reihe; Muster, Ordnung; Regel, Satzung“, ōrdīrī „ein Gewebe anzetteln; anfangen“ mit einer uridg. Wurzel *h2er- „sich (zusam­men)­fügen“, da zahlreiche semantische Parallelen für die Ent­wicklung „zusammenfügen; knüpfen, weben“ → „ordnen; Ord­nung“ → „Gesetz, Satzung“ nachweisbar sind, z.B.:
Aind. granthi- „verbinden, knüpfen, flechten“ zeigt unter anderem in der vedi­schen Substan­tiv­ableitung grantha- m. (TS+) die große Bedeutungsbreite „Ver­bindung, Kno­ten; Komposition, Text; Ordnung, Vertrag“, daneben steht granthí- m. „Knoten“ (RV+) sowie khot. grantha- „Knoten“. Das Wort ist nur in den indo­­iranischen Sprachen bezeugt, bisher fehlt eine uridg. Etymo­logie. Als uridg. Transponat ergäbe sich *g()renth2- (so LIV²: 191) oder *g()lenth2
Heth. ḫantai- „fügen; binden; ordnen; durch Orakel feststellen“ gehört zu einer uridg. Wurzel *h2ent- „ein Gewebe anzetteln, weben“, die auch in griech. áttomai „dss.“, alb. edh „weben“ vorliegt (alb. end < uridg. *h2t-e-t nach Klingenschmitt 1982: 113 Anm. 8; Ziegler 2014: 211-216).
Uridg. *tek-s- „weben, flechten“ hat in einigen Sprachen eine Bedeu­tungs­veränderung zu „zusammenfügen, richten, anordnen“ erfahren, so in heth. takš- „unterrichten, unternehmen, vereinen, bereiten“ und apers. ham-taxš- „zu­sam­menfügen, kooperieren“. Im Hethitischen zeigen einige nominale Ableitung die Weiterentwicklung zu „Ordnung; Abmachung, Vertrag“, z.B. takšeššar- n. „Verbindung, Ordnung, Abmachung“ und takšul n. „Vertrag“.

Literatur:
De Vaan, Michiel 2008: Etymological Dictionary of Latin and the other Italic Languages. Leiden, Boston: Brill. (Leiden Indo-European Etymological Dictionary Series 7). 
Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm 1854–1954: Deutsches Wörterbuch. Bd. 1–16 (und Quellenverzeichnis, 1971). Leipzig: Hirzel. (Nachdruck der Erstausgabe 1999: Bd. 1–33) München: Deutscher Taschenbuch-Verlag. Auch als CD-ROM 2004: Der digitale Grimm. Frankfurt am Main: Zweitausendeins. Auch unter: www.woerterbuchnetz.de.
Klingenschmitt, Gert 1982: Altarmenisches Verbum. Wiesbaden: Reichert.
Kluge, Friedrich 2011: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Begr. Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 25., durchges. und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter.
Kroonen, Guus 2013: Etymological Dictionary of Proto-Germanic, Leiden-Boston: Brill.
Lloyd, Albert L./Lühr, Rosemarie 1988–: Etymologisches Wörterbuch des Althochdeutschen. Bd. 1–. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Meiser, Gerhard 1998: Lateinische Laut-und Formenlehre. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. 
Mittelhochdeutsches Wörterbuch. Mit Benutzung des Nachlasses von Georg Friedrich Benecke ausgearbeitet von Wilhelm Müller und Friedrich Zarncke. 3 Bde. Leipzig 1854-1866. Online auch unter http://woerterbuchnetz.de/BMZ/
Matthias Lexer: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. 3 Bde. Leipzig 1872-1878.
Pfeifer, Wolfgang (Hg.) 1993: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2 Bde. 2., durchges. u. erg. Aufl. Berlin: Akad. Verl.
Rix, Helmut/Kümmel, Martin 2001: Lexikon der indogermanischen Verben: LIV; die Wurzeln und ihre Primärstammbildungen. Unter Leitung von Helmut Rix und der Mitarbeit vieler anderer bearb. von Martin Kümmel, Thomas Zehnder, Reiner Lipp, Brigitte Schirmer. 2., erw. und verb. Aufl., bearb. von Martin Kümmel und Helmut Rix. Wiesbaden: Reichert.
Ziegler, Sabine 2014b: „Die Ordnung als Gewebe: Kann eine andere etymologische Erklärung für heth. ḫantai-zi „(durch Semantik) festgestellt werden“?“, in: Cyril Brosch/ Annick Payne (Hrsg.): NA-WA/I-ZI MAGNUS.SCRIBA. Festschrift für Helmut Nowicki zum 70. Ge­burtstag. Dresdner Beiträge zur Hethitologie Band 43.
 
Autorin: Sabine Ziegler