Etymologie

Raum

Das Wort Raum m. „aus Wänden, Boden und Decke gebildeter und dadurch gegen ähnliche Bereiche abgegrenzter Teil eines Gebäudes“ ist seit ahd. rūm st. m. (a-St. ?) „Raum, Zwischenraum“ (10. Jh.) im Deut­schen belegt: Raum < ahd. rūm < urgerm.*rūma- m. (vgl. auch as., mndd., aengl. rūm m. [mit der zusätzlichen Bedeutung „Gelegenheit“], mndl. ruum, ndl. ruim, engl. room, schw. rum, anord. got. rūm n.). Es handelt sich dabei um eine Substantivierung des Adjektivs urgerman.*rūma- „weit“. Dieses Adjektiv ist in den germanischen Spra­chen gut bezeugt: ahd. rūmi (neben rūmo Adv.) „weit, fern“ (8. Jh.), mhd. rūm(e) „ge­räumig“, vgl. auch nhd. geräumig, as. rūmo Adv., mndd. rūm, mndl. ruum, rūme, ndl. ruim, aengl. rūm (auch „offen, reichlich, frei, freigebig, edel“), anord. rūmr, got. rūms „ge­räumig“. Es handelt sich um eine Bildung mit dem Suffix *‑mo- zu einer Wurzel uridg. *reu̯h1- „öffnen“: *rúh1-mo- (mit Oppositionsakzent, so dass der Langvokal nicht nach der Lex Osthoff gekürzt wurde). Diese Wurzel ist als Verbum bezeugt in toch. B. Konj. rewät „du sollst/wirst öffnen“ und einem se-Präsens in toch. B rusentär „öffnen sich“, toch. A ruseñc „öffnen“. Nominalbildungen finden sich in av. rauuah- n. „freier Raum“, lat. rūs, rūris n. „Land (im Gegensatz zur Stadt)“, mir. rōe „ebenes Feld“ und aksl. ravьnъ „eben, gleich“. Da die nur im Tocharischen bezeugte Verben nicht notwen­dig Primärbildungen sind (LIV s.v. *reu̯h­1-), liegt es nahe, von einer nominalen Wurzel der Bedeutung „offen(er Raum im Freien)“ auszugehen. Die dem Adjektiv zugrunde lie­gende Wurzel uridg. *reu̯h1- ist damit mit dem prototypischen Merkmal <IST: offen> ver­bunden.
Benennungsmotiv für die Grundbedeutung ist: <IST: offener Raum>, für die Bezeichnung im Wortfeld „Haus“: <IST: dreidimensionaler Raum>.

Kluge, Friedrich 2002: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Begr. Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 24., durchges. und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter, s.v. Raum.
LIV: Rix, Helmut/Kümmel, Martin 2001: Lexikon der indogermanischen Verben: LIV; die Wurzeln und ihre Primärstammbildungen. Unter Leitung von Helmut Rix und der Mitarbeit vieler anderer bearb. von Martin Kümmel, Thomas Zehnder, Reiner Lipp, Brigitte Schirmer. 2., erw. und verb. Aufl., bearb. von Martin Kümmel und Helmut Rix. Wiesbaden: Dr. Ludwig Reichert-Verlag, s.v. *reu̯h1-.
Pfeifer, Wolfgang (Hg.) 1993: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2 Bde. 2., durchges. u. erg. Aufl. Berlin: Akad. Verl., s.v. Raum.

Autorin: Bettina Bock