Regal
Regal n.
„Gestell mit Fächern“ (für Bücher, Haushaltswaren) ist ab dem 18. Jh. bezeugt,
vgl. regale heiszen bei den kaufleuten die fächer von holze, worein die
waaren ordentlich sortieret oder geleget und davor meistens vorhänge gezogen
werden. Das
heute oft anzutreffende Kompositum Bücherregal
ist ebenfalls seit dem 18. Jh. bezeugt, im
18./19. Jh. auch in der Variante Real; vgl. dazu die niederdeutschen
Formen Riōle f., Rijōl n. „Bord, Fach, Regal“ (18. Jh.), Reōl,
Rajōl n. „Regal“ (19. Jh.), ferner nnl. riool n. „Setzregal“. Die
Herkunft war bisher nicht befriedigend geklärt. Möglich ist zum
einen ein Zusammenhang mit ahd. rīga f. „Linie, Kreisbogen, Kurve“, mhd. rige
„Linie, Reihe“ und – durch Ablaut und grammatischen Wechsel/Verners Gesetz
unterschieden – rīhe f. „Reihe, Linie, schmaler Gang,
Rinne“; dazu gehört auch mndd. rige, mndl. rie, rye, rij
„Reihe, Linie“. Ein semantisch befriedigender Anschluss ergibt sich, wenn eine Übernahme aus
der italienischen Kaufmannssprache, also aus ital. riga „Reihe, Streifen, Furche,
Linie, Zeile, Lineal“, erfolgt ist, das seinerseits aus dem Langobardischen
stammt und schon als riga, rega, reia „Linie, Reihe,
Streifen“ im Mittellateinischen bezeugt ist. Hierfür
könnte sprechen, daß Regal anfangs auch
die Bedeutung „Lineal“ hatte. Offen
bleibt jedoch, wie die deutsche Wortform zustande kommt. Verschiedenen Arten
von Regalen ist gemein, dass sie Reihen von Ablagebrettern zeigen, die wegen der fehlenden Türen (im Gegensatz zu einem Schrank) deutlich
ins Auge fallen. Der semantischen Übertragung liegt somit eine formale
Similarität zugrunde. – Letztlich
ist das Wort also germanischen Ursprungs und in den romanischen Sprachen mit
einem lateinischen Suffix -ālis, -e erweitert, eine ähnliche
Bildung mit lateinischem Suffix -lo- ist mittellat. rigulus
„Furche“. Die germanischen
Formen *rīχō- (ohne Verners Gesetz) / *riǥō- (mit Verners
Gesetz) f. „Linie, Streifen, Reihe“ können als Substantivbildung vorurgerman. *réik-ā-/*rik--
mit zwei uridg. Wurzeln verknüpft werden:
1. Mit der uridg. Wurzel *(h1)rek-
„reißen, brechen“, die in
ai. reś-/riś- „ab-, aufreißen“ sowie in griech. ereíkō
„zerbrechen, zerreißen“, mkymr. rwyg- „zerreißen“ gut bezeugt ist. Dann hätte
sich uridg. *(h1)rek-eh2- „Riss, Bruch“ mit
semantischem Wandel zu „Riss, Furche“ und schließlich zu „Streifen, Reihe,
Linie“ verändert; eine formale Parallele ist mkymr. r(h)wyg f. „Riss,
Ritze, Spalt“, das auf kelt. *rēk-ā- aus uridg. *(h1)reik-eh2-
zurückgeführt werden kann.
2. Mit der lautlich und semantisch sehr ähnlichen
uridg. Wurzel *reikh2- „ritzen, kratzen“, die in ai. rekh-/
lekh- „ritzen, aufreißen“ vorliegt. Nach Mayrhofer EWAia s.v. wird ahd. riga,
griech. ereíkō hierher gestellt; LIV²: 504 ordnet diese Wörter jedoch
s.v. *(h1)reik- ein. Eine Entscheidung ist wegen der
semantischen und lautlichen Ähnlichkeit vorerst nicht möglich. Ein
beiden vergleichbarer semantischer Wandel liegt etwa vor in dt. Furche,
das zu uridg. *perk- „aufreißen, aufwühlen“ gehört.
Wahrscheinlich aus dem Deutschen ist erst in jüngerer Zeit bezeugtes frz. régale
m. „Regal“ entlehnt.
Literatur:
Blank, Andreas 2001: Einführung in die lexikalische Semantik. Tübingen: Niemeyer. (Romanistische Arbeitshefte 45).
Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm 1854–1954: Deutsches Wörterbuch.
Bd. 1–16 (und Quellenverzeichnis, 1971). Leipzig: Hirzel. (Nachdruck
der Erstausgabe 1999: Bd. 1–33) München: Deutscher Taschenbuch-Verlag.
Auch als CD-ROM 2004: Der digitale Grimm. Frankfurt am Main:
Zweitausendeins. Auch unter: www.woerterbuchnetz.de.
Kluge, Friedrich 2011: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Begr. Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 25., durchges. und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter.
Lexicon Mediae Latinitatis. http://linguaeterna.com/medlat/
Matasović, Ranko 2009: Etymological Dictionary of Proto-Celtic. Leiden & Boston: Brill.
Mayrhofer, Manfred 1992–2001: Etymologisches Wörterbuch des Altindoarischen. 3 Bde. Heidelberg: Winter.
Pfeifer, Wolfgang (Hg.) 1993: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2 Bde. 2., durchges. u. erg. Aufl. Berlin: Akad. Verl.
LIV = Rix, Helmut/Kümmel, Martin 2001: Lexikon der indogermanischen Verben: LIV; die Wurzeln und ihre Primärstammbildungen.
Unter Leitung von Helmut Rix und der Mitarbeit vieler anderer bearb.
von Martin Kümmel, Thomas Zehnder, Reiner Lipp, Brigitte Schirmer. 2.,
erw. und verb. Aufl., bearb. von Martin Kümmel und Helmut Rix.
Wiesbaden: Reichert.
Autorin: Sabine Ziegler