Etymologie

Scheitel

Ahd. skeitila, sceitila, selten skeidila, mhd. scheitel(e) und frnhd./änhd. Scheitel sind fem. (z.B. des hârs zwên löcke er im von der scheiteln nam). Das mask. Genus ist erst in änhd. Zeit aufgekommen, der letzte schriftspr. Vertreter des Fem. ist Heinrich v. Kleist: Dich aber, ... Göttlicher mit der Scheitel des Zeus ... (Käthchen v. Heilbronn). Bei Goethe ist Scheitel mask.: und berührt mit dem Scheitel die Sterne. Das Wort Scheitel ist eine Ableitung mit dem Suffix ‑el (ahd. -ila) von dem Verb scheiden. Der Unterschied zwischen dem d des Verbs und dem t des Subst. beruht auf grammatischem Wechsel wie z.B. auch in Schaufel : schieben. In Scheitel liegt eine germanische Form *skaid/đ-ilō(n)- zugrunde. Das hd. t in Scheitel ist durch die zweite hochdt. Lautverschiebung entstanden. Die nd. Formen scheedel, scheydel haben d behalten, das aber zwischen Vokalen leniert wird und verschwinden kann, daher scheele, scheyle. Scheitel bezeichnet ursprünglich den oberen Haarwirbel, an dem sich die Haare von Natur aus teilen. Erst später wird durch veränderte und verfeinerte Haartrachten auch der künstlich mit einem Kamm gezogene Scheitel so bezeichnet. Durch volksetymologischen Einfluß der nd. Form Schedel wird hd. Schädel im Frühnhd. und Mhd. vereinzelt synonym mit Scheitel gebraucht.
Scheitel
ist nur in den wgerman. Sprachen bezeugt: ahd. skeitila f., mhd. scheitel(e) f., and. scêthlo, sceithlo m., mnd. schêdel, mnl. scheele, scheyle, scheedel, scheydel; mengl. schâdil in gateschâdil „Wegscheide“ erweisen eine german. Form *skaið-ilō(n)- f. ‚Scheidung; Scheitel‘, die eine uridg. Adj.- bzw. Nomen-Agentis-Bildung *skoit-i-ló- oder *sk(e)h2it-i-ló-‚scheidend, trennend; Trenner‘ fortsetzt. Das dazugehörende german. st. Verb *skaiđ/þa- zeigt sowohl die reguläre (þ) und die vernersche (đ) Lautentwicklung, die sich aber unterschiedlich auf die einzelnen Sprachen verteilen (dazu Seebold 1970: 402ff.). Die uridg. Form *skeit- wird als allophonische Variante von uridg. heid- „spalten, trennen“ erklärt (LIV² 547 f. Anm. 2).

Literatur:
Goebel, Ulrich/Reichmann, Oskar 1986–: Frühneuhochdeutsches Wörterbuch. Begr. von Robert R. Anderson, Ulrich Goebel, Oskar Reichmann. Bd. 1–. Berlin u.a.: de Gruyter.
Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm 1854–1954: Deutsches Wörterbuch. Bd. 1–16 (und Quellenverzeichnis, 1971). Leipzig: Hirzel. (Nachdruck der Erstausgabe 1999: Bd. 1–33) München: Deutscher Taschenbuch-Verlag. Auch als CD-ROM 2004: Der digitale Grimm. Frankfurt am Main: Zweitausendeins. Auch unter: www.woerterbuchnetz.de.
Kluge, Friedrich 2011: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Begr. Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 25., durchges. und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter.
Kroonen, Guus 2013: Etymological Dictionary of Proto-Germanic, Leiden-Boston: Brill.
Lexer, Matthias: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. 3 Bde. Leipzig 1872-1878.
LIV = Rix, Helmut/Kümmel, Martin 2001: Lexikon der indogermanischen Verben: LIV; die Wurzeln und ihre Primärstammbildungen. Unter Leitung von Helmut Rix und der Mitarbeit vieler anderer bearb. von Martin Kümmel, Thomas Zehnder, Reiner Lipp, Brigitte Schirmer. 2., erw. und verb. Aufl., bearb. von Martin Kümmel und Helmut Rix. Wiesbaden: Reichert.
Mittelhochdeutsches Wörterbuch. Mit Benutzung des Nachlasses von Georg Friedrich Benecke ausgearbeitet von Wilhelm Müller und Friedrich Zarncke. 3 Bde. Leipzig 1854-1866. Online auch unter http://woerterbuchnetz.de/BMZ/
Pfeifer, Wolfgang (Hg.) 1993: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2 Bde. 2., durchges. u. erg. Aufl. Berlin: Akad. Verl.
Seebold, Elmar 1970: Vergleichendes und etymologisches Wörterbuch der germanischen starken Verben. The Hague: Mouton.

Autorin: Sabine Ziegler