Schöffe
Schöffe m. „bei Gerichten ehrenamtlich eingesetzter Laie, der
zusammen mit dem Richter die Tat des Angeklagten beurteilt und das Maß der
Strafe festlegt“, ahd. skeffin, skeffino (auch skepfo), mhd. scheffe(ne), schepfe(ne), mndd. schēpen(e),
scheppen(e), schēpe, scheppe, mndl. scēpen(e), nndl.
schepen gehören zum starken Verb ahd. skepfen, skephen
„schaffen, bewirken, formen; ausrichten, ordnen“ (= nhd. schöpfen
„erschaffen, gestalten“), asächs. skeppian, mndl. sceppen „dss.“.
Got. ga-skapjan „erschaffen, formen“ zeigt einfaches -p-. Nach
Kroonen (2011: 64f. Vgl. dazu auch Lühr
1988: 326ff.) liegt der Varianz zwischen einfachem und
geminiertem -p- ein ursprünglicher Ablaut im Suffix zugrunde: Ausgehend
von einem urgermanischen Paradigma *skapjō Nom.Sg., *skapinaz
Gen.Sg., *skapjeni Dat. Sg. „Schöffe“ ergab sich folgende
paradigmatische Aufspaltung: Aus Nom. *skapjō wurde ein Stamm *skapjan-
in ahd. scepfo, mhd. schepfe, aus Gen. *skapinaz wurde ein
Stamm *skapina(n)- in ahd. sceffin(o), mhd. scheffene,
andfrk. skepeno, mndd., mndl. schepen(e) und aus Dat. *skapjeni
wurde ein Stamm *skapjena(n)- in mhd. schepfen(e) neu gebildet.
Durch die westgermanische Gemination vor *j trat im Nom.Sg. *skapjō
und Dat.Sg. skapjeni die Lautung mit -pp- gegenüber dem Gen.Sg. *skapinaz
ein. Außerhalb des Germanischen ist diese Wortsippe nicht nachweisbar. Das got. Verb ga-skapjan
führt auf ein uridg. Kausativ (Transponat) *skob-éie/o- oder *skoph3-éie/o-,
das zu einer Wurzel *skeb- oder *skeph3-gehören sollte (s. auch Kroonen 2013: 440). Die Form *skapina- ist aber vor Eintritt des i-
Umlauts und mit romanischem Lautwandel von p zu b als scabinus
ins Mittellateinische übernommen worden und lebt in frz. échevin sowie (mit
sekundärem l-Einschub, evtl. nach dem Wort für Sklave) span. esclavin,
ital. schiavino fort. – Schöffengericht
n. „mit einem juristisch ausgebildeten Richter und mit Laienrichtern besetztes
Gericht“, ein Determinativkompositum aus Schöffe und Gericht
(s. d.), ist seit dem 16. Jh. bezeugt: unser scheffengericht zu B., derhalb
die gemeinde sich etlicher beschwerongen beclagt […] haben wir geordent
[…], dass nu hinfüro in den kleinen schultsachenn […] keiner denn andern mit recht fürnemen
[soll] (Beleg von
1525, Annalen des Vereins für Nassauische Altertumskunde und
Geschichtsforschung (nach DRW). Der Eintrag „Anfang 19. Jh.“ in Pfeifer s.v. Schöffe
ist somit falsch).
Literatur:
DRW = Deutsches Rechtswörterbuch, online unter http://drw-www.adw.uni-heidelberg.de/drw/.
Goebel, Ulrich/Reichmann, Oskar 1986–: Frühneuhochdeutsches Wörterbuch. Begr. von Robert R. Anderson, Ulrich Goebel, Oskar Reichmann. Bd. 1–. Berlin u.a.: de Gruyter.
Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm 1854–1954: Deutsches Wörterbuch.
Bd. 1–16 (und Quellenverzeichnis, 1971). Leipzig: Hirzel. (Nachdruck
der Erstausgabe 1999: Bd. 1–33) München: Deutscher Taschenbuch-Verlag.
Auch als CD-ROM 2004: Der digitale Grimm. Frankfurt am Main:
Zweitausendeins. Auch unter: www.woerterbuchnetz.de.
Kluge, Friedrich 2011: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Begr. Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 25., durchges. und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter.
Kroonen, Guus 2013: Etymological Dictionary of Proto-Germanic, Leiden-Boston: Brill.
Lühr, Rosemarie 1988: Expressivität und Lautgesetz im Germanischen. Monographien zur Sprachwissenschaft 15. Heidelberg: Winter.
Mittelhochdeutsches Wörterbuch.
Mit Benutzung des Nachlasses von Georg Friedrich Benecke ausgearbeitet
von Wilhelm Müller und Friedrich Zarncke. 3 Bde. Leipzig 1854-1866.
Online auch unter http://woerterbuchnetz.de/BMZ/
Matthias Lexer: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. 3 Bde. Leipzig 1872-1878.
Pfeifer, Wolfgang (Hg.) 1993: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2 Bde. 2., durchges. u. erg. Aufl. Berlin: Akad. Verl.
Rix, Helmut/Kümmel, Martin 2001: Lexikon der indogermanischen Verben: die Wurzeln und ihre Primärstammbildungen.
Unter Leitung von Helmut Rix und der Mitarbeit vieler anderer bearb.
von Martin Kümmel, Thomas Zehnder, Reiner Lipp, Brigitte Schirmer. 2.,
erw. und verb. Aufl., bearb. von Martin Kümmel und Helmut Rix.
Wiesbaden: Reichert.
Autorin: Sabine Ziegler