Etymologie

Schrank

Schrank m. „durch Türen verschließbares Möbelstück“ erscheint in ahd. scranc m. „Betrug, Falle, Tücke“ (so gibt Notker etwa diabolica fraude „durch teuflischen Betrug“ mit mit des tiefeles scranche „mit den Teufels Betrug“ wieder, Notker ps. 101, 21) neben einer r-losen Form scanc m. „Schrank, Gestell“, die auch heute noch in Thüringen, Hessen und Teilen des Ostfränkischen als r‑loses Schank vorliegt. Diese r‑losen Formen gehören zu an. skakkr „schief“ < urgerman. *skanka- (Lühr 1988: 143). r-haltige Formen sind dagegen mhd. schranc „Git­ter, Einfriedung, Verschränkung, Gestell aus Gitterwerk“, mndd. schrank n. „Einfrie­dung, Schranke, Gitter, durch Gitter abgeschlossener Raum, Nische“, mndl. scranc, scrancke m., nndl. schrank „Tragebalken, Untersatz, Einfriedung aus Latten, Schran­ke“ < urgerman. *skranka-. Nach Lühr 1988: 143 „besteht Anlaß zu der Vermutung, daß das mit schräg verwandte Wort Schrank(e) eine Reimwortbildung auf scanc darstellt“. Eine feminine Ableitung liegt vor in Schranke „einschränkendes, einfas­sendes Git­terwerk; Absperrung“ < urgerman. *skrankō-, die Bedeutung „einschrän­kendes, einfassendes Git­terwerk“ ist sowohl in älteren Sprachstufen des Hoch­deutschen wie auch in den niederdeutschen Formen bezeugt. Auszugehen ist dabei von „schräge, kreuzweise zu­sam­mengefügte Einfriedung, Gitterwerk“, daher auch mhd. schranc „Gestell aus Git­ter­werk“ (vor allem in Vorratskammern), woraus sich in Verbindung mit dessen hand­werklicher Gestaltung seit frühneuhochdeutscher Zeit der heutige Sinn entwickelt. Von Schrank oder Schranke abgeleitet ist das Verb ahd. screnchan, screnken, mhd. mnd. schrenken, mndl. schrencken „verschränken, flechten, kreuzwei­se verbinden“. Ausgangspunkt für die Benennung ist die ur­sprüngliche Verwendung in Vorratskammern, um durch das Gitterwerk Insekten und Nagetiere abzuhalten, aber trotzdem eine ausreichende Belüftung der gelagerten Lebensmittel zu ermöglichen. Später wurde dies dann auch als künstlerische Gestaltungsmöglichkeit gesehen, die den ursprünglichen Zweck wegen der Grobmaschig­keit des Gitterwerks nicht mehr erfüllt und zur reinen Zierde geworden ist. – Zugrunde liegt die Wurzel uridg. *sker- „scheren, (schräg) abschnei­den“, die in dt. Schere „Werkzeug zum Schneiden, das aus zwei durch einen Bolzen über Kreuz drehbar miteinander verbundenen und mit ringförmig auslaufenden Griffen versehenen Klingen besteht, deren Schneiden beim Zusammendrücken der Griffe streifend gegeneinander bewegt werden“ und dem starken Verb ahd. skera, an. skera, aengl. sceran, afries. skera „scheren, abschneiden“ sowie armen. kcerem „abschaben“ und griech. keírō „scheren; schräg oder quer durchschneiden“ bezeugt ist. Diese Wurzel ist im Germanischen mit *-g/ǥ- erweitert und liegt in den Nomina nhd. schräg, frnhd. schræg „diagonal, schief, quer“, nhd. Schrage oder Schragen, mhd. schrage m., mndd. schrâge(n) f. „Tischgestell mit zwei Paar schräg bzw. über Kreuz eingefügten Beinen“ vor. Das Benennungsmotiv ist hier, wie auch bei Schere, die Anordnung über Kreuz.

Literatur:
Beekes, Robert S.P. 2009: Etymological Dictionary of Greek. Amsterdam: Brill.
Goebel, Ulrich/Reichmann, Oskar 1986–: Frühneuhochdeutsches Wörterbuch. Begr. von Robert R. Anderson, Ulrich Goebel, Oskar Reichmann. Bd. 1–. Berlin u.a.: de Gruyter.
Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm 1854–1954: Deutsches Wörterbuch. Bd. 1–16 (und Quellenverzeichnis, 1971). Leipzig: Hirzel. (Nachdruck der Erstausgabe 1999: Bd. 1–33) München: Deutscher Taschenbuch-Verlag. Auch als CD-ROM 2004: Der digitale Grimm. Frankfurt am Main: Zweitausendeins. Auch unter: www.woerterbuchnetz.de.
Kluge, Friedrich 2011: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Begr. Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 25., durchges. und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter.
Kroonen, Guus 2013: Etymological Dictionary of Proto-Germanic, Leiden-Boston: Brill.
Lühr, Rosemarie 1988: Expressivität und Lautgesetz im Germanischen. Monographien zur Sprachwissenschaft 15. Heidelberg: Winter. Mittelhochdeutsches Wörterbuch. Mit Benutzung des Nachlasses von Georg Friedrich Benecke ausgearbeitet von Wilhelm Müller und Friedrich Zarncke. 3 Bde. Leipzig 1854-1866. Online auch unter http://woerterbuchnetz.de/BMZ/
Matthias Lexer: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. 3 Bde. Leipzig 1872-1878.
Pfeifer, Wolfgang (Hg.) 1993: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2 Bde. 2., durchges. u. erg. Aufl. Berlin: Akad. Verl.
Rix, Helmut/Kümmel, Martin 2001: Lexikon der indogermanischen Verben: LIV; die Wurzeln und ihre Primärstammbildungen. Unter Leitung von Helmut Rix und der Mitarbeit vieler anderer bearb. von Martin Kümmel, Thomas Zehnder, Reiner Lipp, Brigitte Schirmer. 2., erw. und verb. Aufl., bearb. von Martin Kümmel und Helmut Rix. Wiesbaden: Reichert.
 

Autorin: Sabine Ziegler