Schwur
Schwur m. „Eid vor einer staatlichen Institution; Gelöbnis,
feierliche Beteuerung der Wahrheit“ ist seit althochdeutscher Zeit im
Kompositum bezeugt: ahd. meinswuoro m., spätahd. meinsweridī f. „Falschaussage, Meineid“, mhd. meinswuor m. und mhd. mainswerung f. „Meineid“ mit mein- „Frevel,
Verbrechen“ werden im Frühneuhochdeutschen durch das verdeutlichende
Kompositum meineidswerunge f. „Meineid-Schwörung“
ersetzt. Das Simplex Schwur
taucht zuerst in einem Beleg des Jüngeren Titurel auf, dann vermehrt im Frühneuhochdeutschen. Dazu stimmt mit etwas anderer Wortbildung anord. sœri n.Pl. „Schwur“, das ein urgerman.
Nomen *swōrja -fortsetzt. Zugrunde liegt ein starkes Verb (6. Klasse) schwören, ahd. swerien, swerren
„versprechen, schwören, einen Eid ablegen“, anord. sverja, aengl. swerian,
asächs. swerian und afries. swera, swara alle „schwören, versprechen“ < urgerman. Verb *swar-je/a- neben *swar-e/a- in got. swaran
„schwören, versprechen“. Dazu gehören nun auch die Präfixnomina anord., aschwed. andsvar, aengl.
andsvaru, asächs. antswōr „Antwort“ mit dem davon abgeleiteten
Verb anord., aschwed. andsvara, aengl. andsvarian, andsverian
„antworten“. Da bisher eine
überzeugende - Kroonen 2013: 496 schlägt mit Zögern eine Verbindung mit aksl. svarъ m. „Kampf,
Streit“ vor; dies ist dann möglicherweise semantisch so darzustellen, dass ausgehend von
einer Bedeutung „sagen, sprechen“ ein Nomen *sōro- „das Sprechen“ gebildet wurde, das sich einerseits in der
Gerichtssituation zu urgerman. „Schwur“ entwickelte und andererseits zu aksl.
„Streit“ über *„heftiges Reden“. Auffallend bleibt die Dehnstufe - Etymologie für urgerman. *swar-je/a- und *swar-e/a- (ein Verbum der
6. Klasse mit urgerman. Prät. *swōr- > ahd. swuor, nhd. schwor) fehlt,
wird hier vorgeschlagen, diese Wörter unter Annahme einer s-mobile-Wurzel mit uridg. *erh1-
„sagen“ (in palāisch wērti „sagt,
spricht“, heth. weriyezzi „dss.“ und
griech. eírein „sagen, sprechen“) von einer Vorform *(s)erh1- „sagen, sprechen“ herzuleiten. Die Bedeutung
„sagen, sprechen“ wurde auf bestimmte Kontexte (vor allem die Situation vor
Gericht) eingeengt, ist aber noch in den Komposita ahd. meinswuoro, meinsweridī,
mhd. meinswuor, mainswerung „Meineid, Falschaussage“ < *„schlechte, falsche,
frevlerische Aussage“ nachweisbar. Vergleichbare
semantische Parallelen zu den Bedeutungskomplexen „schwören“, „etwas versprechen“ und „sprechen“ liegen in der
Entwicklung der uridg. Wurzel *h1lengh- in einigen indogermanischen Einzelsprachen sowie in nhd. Aussage
(zu sagen) und Versprechen (zu sprechen)
vor.
Literatur:
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Bd. 1–16 (und Quellenverzeichnis, 1971). Leipzig: Hirzel. (Nachdruck
der Erstausgabe 1999: Bd. 1–33) München: Deutscher Taschenbuch-Verlag.
Auch als CD-ROM 2004: Der digitale Grimm. Frankfurt am Main:
Zweitausendeins. Auch unter: www.woerterbuchnetz.de.
Kloekhorst, Alwin 2008: Etymological Dictionary of the Hittite Inherited Lexicon. Leiden: Brill.
Kluge, Friedrich 2011: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Begr. Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 25., durchges. und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter.
Kroonen, Guus 2013: Etymological Dictionary of Proto-Germanic, Leiden-Boston: Brill.
Lexer, Matthias: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. 3 Bde. Leipzig 1872-1878.
Lühr, Rosemarie 1980: „Althochdeutsch antlingen ‚antworten‘, ZdA 109, 48-72.
Mittelhochdeutsches Wörterbuch.
Mit Benutzung des Nachlasses von Georg Friedrich Benecke ausgearbeitet
von Wilhelm Müller und Friedrich Zarncke. 3 Bde. Leipzig 1854-1866.
Online auch unter http://woerterbuchnetz.de/BMZ/
Pfeifer, Wolfgang (Hg.) 1993: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2 Bde. 2., durchges. u. erg. Aufl. Berlin: Akad. Verl.
Rix, Helmut/Kümmel, Martin 2001: Lexikon der indogermanischen Verben: LIV; die Wurzeln und ihre Primärstammbildungen.
Unter Leitung von Helmut Rix und der Mitarbeit vieler anderer bearb.
von Martin Kümmel, Thomas Zehnder, Reiner Lipp, Brigitte Schirmer. 2.,
erw. und verb. Aufl., bearb. von Martin Kümmel und Helmut Rix.
Wiesbaden: Reichert.
Seebold, Elmar 1970: Vergleichendes und etymologisches Wörterbuch der germanischen starken Verben. The Hague: Mouton.
Autorin: Sabine Ziegler