Etymologie

Sekretär

Sekretär m. „Mitarbeiter in Vertrauensstellung; Verwahrer des fürstlichen Geheimsiegels“ und „Schreibschrank“. Die erste Bedeutung ist bezeugt seit dem 15. Jh.: sîn heimlîcher rât und secretâri; die zweite Bedeutung „abschließbarer Schreib­schrank“ ist erst unter französischem Einfluss gegen Ende des 18. Jh.s zustande ge­kommen. Sekretär stammt aus mlat. secretarius „geheimer Berater, ver­trau­ens­würdiger Mitarbeiter“, einer Ableitung mit dem Suffix -arius von lat. sēcrētus „ge­heim, abgesondert, besonders, ge­trennt“; sēcrētus ist das Partizip Perfekt Passiv von lat. sēcernere „absondern, ausscheiden, trennen“. Alt ist dagegen das Neu­trum sēcrē­tārium „geheimer, verborgener Ort; geheimes Verhörzimmer der Rich­ter; Senatssaal“. Das Wort ist auch entlehnt in nndl. secretaris, nengl. secretary, nfrz. secrétaire, nschwed. sekreterare, sekretär, nnorw. sekretär.
Im Mittellateinischen bedeutete secretarius aus­schließ­lich „gehei­mer Berater, ver­trau­enswürdiger Mitarbeiter“; darauf deutet auch die Wortbildung mit dem lateinischen Suffix -arius zur Bildung von Nomina agentis. Die Bedeutungs­entwicklung von „Person, der man ein Geheimnis/wichtige Dokumente o.ä. anver­traut“ zu „ab­schließbares Möbelstück, dem man wichtige Dokumente anvertraut“ ist durch Über­tragung der Funktion „dient für wichtige und geheime Dokumente“ eingetreten. Es ist somit ein Beispiel für metaphorische Similarität und zeigt einen Abstrak­tionsvorgang von einer Person auf einen Gegenstand. Semantisch vergleichbar ist das Kompo­situm Herren­diener, im Älteren Neuhochdeutschen „Diener in einem vornehmen Haus“, heute je­doch „stummer Diener“ als Bezeichnung für ein Möbelstück, an dem Kleidungs­stücke aufgehängt werden können. Die Übertragung von der Person auf einen Gegenstand erfolgt wieder aufgrund einer Funktion „sorgt für Ordnung und räumt Kleidungsstücke auf“.

Literatur:
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Goebel, Ulrich/Reichmann, Oskar 1986–: Frühneuhochdeutsches Wörterbuch. Begr. von Robert R. Anderson, Ulrich Goebel, Oskar Reichmann. Bd. 1–. Berlin u.a.: de Gruyter.
Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm 1854–1954: Deutsches Wörterbuch. Bd. 1–16 (und Quellenverzeichnis, 1971). Leipzig: Hirzel. (Nachdruck der Erstausgabe 1999: Bd. 1–33) München: Deutscher Taschenbuch-Verlag. Auch als CD-ROM 2004: Der digitale Grimm. Frankfurt am Main: Zweitausendeins. Auch unter: www.woerterbuchnetz.de.
Heine, Bernd/Claudi, Ulrike/Hünnemeyer, Friederike 1991: Grammaticalization. A Conceptual Framework. Chicago, London: University of Chicago Press.
Kluge, Friedrich 2011: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Begr. Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 25., durchges. und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter.
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Lexicon Mediae Latinitatis. http://linguaeterna.com/medlat/
Mittelhochdeutsches Wörterbuch. Mit Benutzung des Nachlasses von Georg Friedrich Benecke ausgearbeitet von Wilhelm Müller und Friedrich Zarncke. 3 Bde. Leipzig 1854-1866. Online auch unter http://woerterbuchnetz.de/BMZ/
Pfeifer, Wolfgang (Hg.) 1993: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2 Bde. 2., durchges. u. erg. Aufl. Berlin: Akad. Verl.
Rix, Helmut/Kümmel, Martin 2001: Lexikon der indogermanischen Verben: LIV; die Wurzeln und ihre Primärstammbildungen. Unter Leitung von Helmut Rix und der Mitarbeit vieler anderer bearb. von Martin Kümmel, Thomas Zehnder, Reiner Lipp, Brigitte Schirmer. 2., erw. und verb. Aufl., bearb. von Martin Kümmel und Helmut Rix. Wiesbaden: Reichert.
  
Autorin: Sabine Ziegler