Sessel
Sessel m. „Sitzgelegenheit, Polsterstuhl mit Arm- und
Rückenlehnen“ ist seit althochdeutscher Zeit gut bezeugt: Ahd. seӡӡal glossiert etwa lat. cathreda „Stuhl, Sessel“, sella
„Stuhl, Sessel“, sēdēs „Sitz“, solium „Thron“, subsellium „Sitzbank“. Mhd. seӡӡel, z.B. in dô saʒ diu Minne ûf einem seʒʒel inme wegenlîn, teilweise auch übertragen als „Sitz Gottes =
Himmel“: des
seʒʒel ist der himel dort und diu erde sîner vüeʒe schamel. Auch in anderen germanischen Sprachen ist das Wort
bekannt: Got. sitls, aengl. setl, ahd. seӡӡal, mhd. seӡӡel, mndd. setel, mndl. setel
„hochwertige Sitzgelegenheit, Sessel, Thron“ sind aus german. *set-la-
„Sitzgelegenheit“ herleitbar. Diese Form ist eine Fortsetzung von uridg. *sed-lo-
oder eher *sed-tlo- „Instrument zum Sitzen“. Die Form *sed-tlo-
entspricht genau dem Typus urindogermanischer Instrumental-
und Abstraktbildungen mit e-Vollstufe und Suffix *-tlo- n. (vgl. altlat.
poclom, lat. pōculum, aind. ptra- n. „Trinkgefäß, Becher“
< *peh3-tlo- „Instrument zum Trinken“) und ist daher der Rekonstruktion *sed-lo- vorzuziehen, da das
uridg. Suffix -lo- primär Adjektive mit der Bedeutung „versehen,
charakterisiert mit dem / geeignet für das Grundwort“ und daraus
substantivierte Wörter bildet. In den germanischen Sprachen können uridg. lo-Suffixe jedoch oft auch
Nomina instrumenti bilden (Krahe/Meid 1967: 87), etwa ahd. slegil „Schlegel/Schlägel“
von schlagen, ahd. scūfla „Schaufel“ von schieben. Die Bedeutung der -lo-Adjektive hat eine deutliche semantische Nähe zu
den Instrumentalbildungen, so dass ausgehend von Fällen wie etwa ahd. sluzzil,
as. slutil „Schlüssel“ < -tlo-Bildung „Instrument zum
Schließen“ nach der Geminatenvereinfachung eine Umdeutung zur -lo-Bildung
„durch Schließen charakterisiert, zum Schließen geeignet“ > „geeignetes
Instrument zum Schließen“ eingetreten sein kann, ähnlich auch aengl. bytel
„Hammer“ von bauta „schlagen“. In
Einzelfällen ist auch in anderen indogermanischen Sprachen eine
Substantivierung von -lo-Bildungen eingetreten, die die Bedeutung eines
Nomen instrumenti erhalten haben (z.B. griech. zeúglē „Joch“ von zeúgnūmi
„anschirren“ oder das oben erwähnte lat. sella, griech. (lakon.) hellá).
In der Entwicklung der uridg. Form *sed-tlo-
zu german. *set-la- wäre dann eine Vereinfachung der Geminate -tt-
in tautosyllabischer Stellung eingetreten (Mayrhofer 1986: 111, Lühr 2000: 64). Eine genaue lautliche Entsprechung ist aind. sattrá-
„große, langdauernde Somaopferfeier“,
jav. hastra- „Versammlung“ < *„Sitzung“. Ähnlich auch lat. sella
f. „Sitz, Stuhl“, gr. (lakon.) hellá- „Stuhl“ < uridg. *sed-leh2-.
Zugrunde liegt die sehr gut bezeugte Wurzel uridg. *sed- „sitzen“; das
deutsche Verb sitzen lässt sich mit ahd. siʒʒen, aengl. sittan,
afries. sitta und anord. sitja auf eine urgerman. Bildung *set-ja-
aus uridg. *sed-e/o- zurückführen.
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Mittelhochdeutsches Wörterbuch.
Mit Benutzung des Nachlasses von Georg Friedrich Benecke ausgearbeitet
von Wilhelm Müller und Friedrich Zarncke. 3 Bde. Leipzig 1854-1866.
Online auch unter http://woerterbuchnetz.de/BMZ/
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Rix, Helmut/Kümmel, Martin 2001: Lexikon der indogermanischen Verben: LIV; die Wurzeln und ihre Primärstammbildungen.
Unter Leitung von Helmut Rix und der Mitarbeit vieler anderer bearb.
von Martin Kümmel, Thomas Zehnder, Reiner Lipp, Brigitte Schirmer. 2.,
erw. und verb. Aufl., bearb. von Martin Kümmel und Helmut Rix.
Wiesbaden: Reichert.
Autorin: Sabine Ziegler