Etymologie

Sicherheit

Ein Beleg von 1291 aus der Schweiz weist auf mhd. sicherheit als Synonym von zunft, gesellschaft und meisterschaft: das nieman kein zunft noch geselleschafte noch meisterschafte noch enkein sicherheit mit eiden machen sol in dirre stat (SchaffhRbf. 44, DRW s.v. Gesellschaft) „das niemand weder eine Zunft noch eine Gesellschaft noch eine Meisterschaft noch eine Sicherheit mit Eiden in dieser Stadt machen soll“. Wahrscheinlich handelt es sich hierbei um eine metonymische Übertragung des Rechtsterminus mhd. sicherheit. Das Wort ist bereits im Althochdeutschen belegt: sihhurheit st. f. (i-St.) „Sicherheit, Rettung, Selbstgewissheit, Sorgenfreiheit, Gefahrlosigkeit, Ungestörtheit“ (9. Jh.), eine frühe Abstraktbildung mit dem Suffix ‑heit zum Adjektiv ahd. sihhur „sicher; sorglos“ (8. Jh.) < lat. sēcūrus „ohne Sorge, ungefährdet“ : lat. „ohne“ + cūra f. „Sorge, Pflege“. Der Rechtsterminus zeigt sich v.a. in einigen mittelhochdeutschen Kollokationen wie sicherheit bieten, geben, hân, tuon, die auf eine Vertragshandlung weisen, vgl. z. B. diu sicherheit … diu mir tâten zwêne man (Parz. 50, 7, DWb s.v. Sicherheit) „die Sicherheit, die mir zwei Mann gaben“. Eine solche Entwicklung zum Rechtsterminus zeigt auch schon die lateinische Entsprechung securitas, vgl. im Codex Theodosii 11, 1, 19: solvantur debita securitatesque reddantur „die Schulden sollen aufgelöst und Sicherheiten zurückgegeben werden”. Es kann also durchaus Lehneinfluss vorliegen.
Im Frame „Berufsgenossenschaft“ konnte der Rechtsterminus, der vielfach mit einem Eid verbunden war, auf die Gemeinschaft selbst übertragen werden, vgl. zur Rechtseid: Nun aber ist den Lutherischen von Catholischen auff vernünftigen erheblichen Ursachen ein ewiger Fried unnd Sicherheit geschworen worden (Chr. G. Friedberg, Newercaluinischer Modell …, o.O. 1616, S. 21). Der eingangs erwähnte Beleg zeigt gleichfalls diesen Zusammenhang (sicherheit mit eiden). Die Vereidigung wiederum gehört zu den prototypischen Merkmalen der mittelalterlichen Berufsgenossenschaften, vgl. auch den oben angeführten Beleg.
Benennungsmotiv: Vereidigung

DRW: Deutsches Rechtswörterbuch. http://drw-www.adw.uni-heidelberg.de/drw/.
DWb: Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm 1854–1954: Deutsches Wörterbuch. Bd. 1–16 (und Quellenverzeichnis, 1971). Leipzig: Hirzel. (Nachdruck der Erstausgabe 1999: Bd. 1–33) München: Deutscher Taschenbuch-Verlag. Auch als CD-ROM 2004: Der digitale Grimm. Frankfurt am Main: Zweitausendeins. Auch unter: www.woerterbuchnetz.de.
Kluge, Friedrich 2002: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Begr. Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 24., durchges. und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter, s.v. sicher.
Pfeifer, Wolfgang (Hg.) 1993: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2 Bde. 2., durchges. u. erg. Aufl. Berlin: Akad. Verl., s.v. sicher.

Autorin: Bettina Bock