Wintergarten
r̄Das
Determinativkompositum Wintergarten m.
„verandaartiger Anbau mit vielen Grünpflanzen“ ist seit dem frühen Älteren Neuhochdeutschen belegt: darumben auch bey groszen herrn die
wintergärtten im brauch sein (Guarinonius
greuel der verw. [1610] 18; DWb s.v. Wintergarten). Ursprünglich wurden mit dem Wort Treibhäuser und
Warmhäuser bezeichnet, wo Pflanzen während der kalten Jahreszeit geschützt
aufbewahrt werden konnten. Die Bedeutung „verandaartiger Wohnraum mit vielen
Pflanzen“ kam erst später auf, vgl. den
abend brachte ich bei H. zu, im blühenden wintergarten der frau justizräthin (Holtei erz. schr. [1861-1866] 38, 147, DWb s.v. Wintergarten).
Das
Bestimmungswort und Vorderglied Winter m.
„kalte Jahreszeit“ (ahd. wintar st.
m. [a-St.], 8. Jh.) lässt sich
zusammen mit got. wintrus, anord. vetr m. „Winter, Jahr“, schw. vinter, as. wintar, mndd., mndl., nndl. winter,
aengl. winter auf vorurgerm. *u̯ind-ru-
„Winter“ < *„weiße Jahreszeit“ zurückführen. Nächste Verwandte sind air. finn, find „weiß“, kymr. gwynn „weiß“.
Das Grundwort
und Hinterglied Garten geht auf ahd. garto m. (n-St.,
8. Jh.) zurück (mit sekundärem auslautenden -n seit dem 15. Jh. nach den obliquen Kasus). Nach EWA s.v. garto entsprechen dem schwach flektierte
Wort: as. gardo m., mndd. gārde, gērde „Garten“; mndl. gaerde
„Garten“, nndl. dial. gaarde; afries.
garda m. „Garten“, nostfries. gārden, gār(e)n; got. garda m.
„Hürde, Viehhof“. Zugrunde liegt urgerman. *ǥarđan-.
Diese Form ist nach EWA ebd. eine n-Erweiterung
des a-Stamms urgerman. *ǥarđa‑. Diese geht wahrscheinlich auf
uridg. *ghor-tó- zurück,
vgl. gr. khórtos „eingefriedeter
Raum, Hof, Gehege, Weideplatz, Weide, Futter, Gras, Heu“, lat. hortus m. „Garten“, osk. húrz (Ak. Sg. húrtúm) „Hain“, air. gort
„Saatfeld“, kymr. *garth
„eingezäuntes Gebiet“ (verbaut in akymr. luird
„Kräutergarten“; vgl. ir. lubgort),
bret. garz. Der Ansatz einer Verbalwurzel
uridg. *gher- sei jedoch
problematisch, da sich keine von ihr abgeleiteten Verben finden lassen. Eine
alternative Etymologie ist nach EWA ebd. die Herleitung aus uridg. *ghordho-,
vgl. aksl. gradъ „Burg, Stadt,
Garten“, nruss. górod „Stadt“,
ukrain. hórod, bulg. grad, serbo-kroat., slowen. grâd, tschech. hrad, poln. gród, osorb. hród, ndsorb. grod; lit. gar͂das
„Pferch“, žem. gardìs „Wagenleiter“,
phryg. ‑gordum „Stadt“ (in ON wie Manegordum) und alb. gardh „Zaun, Gehege, Hecke“ sowie als
schwundstufige Bildung ai. gr̥há- m.
„Haus“, jav. gǝrǝδa- m. „Höhle
daēvischer Wesen“ (< *ghr̥dhó‑).
Bei dieser Etymologie sei die Verbalwurzel als uridg. *gherdh- „umschließen, umgürten“ anzusetzen;
eine solche lässt sich aber kaum in einem Primärverbum belegen, aisl. gyrða „gürten“ könnte auch denominal
sein. Gegen diese Etymologie spricht, dass eine Motivation für die Bildung des
germ. i-Stamms (belegt in got. gards m. „Haus, Familie, Hof“: <
urgerman. *ǥarđi-) fehlt. Abgelehnt
werden ferner aus lautlichen Gründen die Verbindungen mit heth. gurta- „Burg, Akropolis“, mit toch. B kercĭye
„königlicher Palast“ und mit lit. žárdas
„Holzwerk, wo man die Erbsen zum Trocknen aufhängt“, lett. zãrds „Holzgestell“, lit. žar̄dis
„Rossgarten, großer umzäunter Weideplatz“, apreuß. sardis „umzäunter Rossgarten“, russ. zoród „eingehegter Platz zu einem Heuschober“.
Benennungsmotiv
für die Bezeichnung im Wortfeld „Haus“ ist:
<HAT: Pflanzen im Winter>.
DWb:
Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm
1854–1954: Deutsches Wörterbuch. Bd. 1–16 (und Quellenverzeichnis, 1971).
Leipzig: Hirzel. (Nachdruck der Erstausgabe 1999: Bd. 1–33) München:
Deutscher Taschenbuch-Verlag. Auch als CD-ROM 2004: Der digitale Grimm.
Frankfurt am Main: Zweitausendeins. Auch unter: www.woerterbuchnetz.de.
EWA:
Lloyd, Albert L./Lühr, Rosemarie 1988–: Etymologisches Wörterbuch des
Althochdeutschen. Bd. 1–. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, s.v. gart2/garto.
Kluge,
Friedrich 2002: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Begr.
Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 24., durchges. und erw. Auflage. Berlin
u.a.: de Gruyter, s.v. Winter.
Lühr, Rosemarie 2000: Die Gedichte des Skalden Egill.
Dettelbach: Röll. (Jenaer indogermanistische Textbearbeitung; 1), 162.
Pfeifer,
Wolfgang (Hg.) 1993: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2 Bde. 2.,
durchges. u. erg. Aufl. Berlin: Akad. Verl., s.v. Winter.
Autorin: Bettina Bock