Etymologie

Zeche

Zeche geht auf ahd. zehha st. f. (ō-St.) „gemeinsamer Beitrag“ (9. Jh.) zurück. Im Mittelhochdeutschen findet sich zech(e) f. „Verrichtung (wie Wachdienst), die in einer bestimmten Reihenfolge unter mehreren Personen umgeht; Ordnung, Reihenfolge; Reihe; Anordnung; Veranstaltung; Gesamtheit von Personen desselben Standes; Vereinigung, Gemeinschaft (zu verschiedenen Zwecken); Gelage; Geldbeitrag für eine Gemeinschaft oder eine gemeinsame Aktivität“ und im Mittelniederdeutschen teche „reihum gehende Verrichtung, Reihenfolge, Anordnung, Einrichtung, Vereinigung zu gemeinsamen Zwecken (Trinkgesellschaft, Zunft, Bergwerksgenossenschaft und deren Grube), Ort der Zusammenkunft, Geldbeitrag zu gemeinsamem Verzehr“. Neben dem Substantiv steht ein schwaches Verb ahd. zehôn „ausbessern, wiederherstellen; aneinanderreihen; färben“ (8. Jh.), das vor allem als Partizip Perfekt Passiv gizehôt „ausgebessert; gefärbt usw.“ in den Glossen belegt ist. Fortgesetzt ist das Verb auch in mhd. zechen „anordnen, verfügen, veranstalten, zustande bringen“. Nhd. zechen „gemeinsam mit anderen ausgiebig essen und trinken“ geht dagegen auf die Neubildung spätmhd. zechen zurück, eine denominale Ableitung zu mhd. zeche in der Bedeutung „Gelage“. Weitere Ableitungen sind ahd. gizeh „geordnet“ < *„gemeinsam eine zehha habend“ (8. Jh.), mhd. gezech „gefügt, geordnet, gerüst“ und mhd. zesem, zesen „ununterbrochene Reihe“ (mit dem Suffix urgerm. *-sman- zur Bildung von Nomina actionis, vgl. Krahe/Meid 1967: 129). Germanische Verwandte könnten sein: aengl. teoh m./f. „Geschlecht, Trupp, Schar, Bande, Gesellschaft“, (ge)teohhian „bestimmen, meinen, beabsichtigen, vorschlagen, betrachten, denken, urteilen“, anord. „Erlaubnis“ und got. tewa f. „Ordnung“. Als Vorformen für zehha und teoh ergeben sich so urgerm. **teχ-i̯a/ō- oder **teχ-u̯a/ō-. Für das Altnordische kommt nur die zweite Variante als Vorform in Betracht. Die Etymologie von got. tewa ist umstritten; lautlich und wortbildungsmäßig ist die Verbindung schwierig, vgl. Casaretto 2004: 109 mit weiterer Literatur und LIV s.v. *deu̯h2-, v.a. Fußnote 1. Denominal zu den Ausgangsformen **teχ-i̯a/ō- oder **teχ-u̯a/ō- ist das ebenfalls im Deutschen und Englischen fortgesetzte Verb **teχ(i̯/u̯)-jan- gebildet. Vorauszusetzen ist eine Wurzel vorurgerm. *dek/k̑- oder *dek-. Als Grundbedeutung lässt sich „reihen, ordnen“ ermitteln.
Lautlich ansprechend ist die Verknüpfung mit uridg. *dek̑-. Unter dieser Wurzel sind im IEW und im LIV zahlreiche Bildungen gelistet, die aber in der Semantik stark variieren. Die Bedeutungsbreite ist für die rekonstruierte Grundbedeutung unterschiedlich interpretiert worden, im IEW als *„nehmen, aufnehmen“ (> „begrüßen, Ehre erweisen“) > „gut passend, geeignet, sich schicken, ziemen, es jemandem recht machen; als unannehmbar darstellen, etwas einem gut scheinend machen, lehren, lernen“, im LIV als *„(an-, auf-)nehmen, wahrnehmen“ (ohne Erklärung des Zusammenhangs dieser beiden Bedeutungen), Kausativ „jemanden etwas wahrnehmen lassen“ > „lehren; den Eindruck erwecken; gleichen, ähneln, scheinen“ (vgl. die Fußnote 17 im LIV). In der Tat ist die Vermittlung zwischen diesen sehr verschiedenen Bedeutungen nicht einfach. Als Lösung kommt daher auch die Annahme zweier Wurzeln in Betracht. Im Zusammenhang damit gerät die im LIV1 s.v. mit Fragezeichen angesetzte Wurzel *deks- „fähig sein, es jemandem recht machen“ (im LIV2 *dek̑s- wegen der möglichen Verbindung mit der gleichlautenden Wurzel für „rechts“) in den Blick, die in der Bedeutung zu einem Teil der Verben unter *dek̑- passt, so dass sich das Nebeneinander zweier Wurzeln *dek̑- und *dek(u̯)- als alternative Erklärung anbietet. In den Kentumsprachen mussten die beiden Wurzeln *dek̑- und *dek- zusammenfallen, weshalb es zu einer Kontamination beider Wurzeln und ihrer Bildungen kommen konnte.
Uridg. *dek̑- ist aufgrund der gut bezeugten Primärstammbildungen (siehe LIV) eine Grundbedeutung „(jemanden) erwarten, empfangen“ zuzuweisen, vgl. aind. ved. dāṣṭi „huldigt einem Gott“ < *„einen Gott empfangen“, das mit hom. griech. θεὸν ὣς δειδέχατο (theòn hṑs deidékhato) „empfing [Hektor] wie einen Gott“ (Ilias 22, 434f.), einem Imperfekt eines zugehörigen Intensivums verglichen werden kann. Die Zugehörigkeit des Intensivums ist allerdings umstritten, vgl. LIV ebd. Fußnote 22 mit Literatur (z. B. Forssman 1978). Die Übereinstimmung in der Bedeutung ist aber überzeugend. Die Aspiration erfolgte analogisch zum paradigmatischen Ausgleich. Nicht im LIV herangezogen ist aksl. dešǫ, desiti „finden, begegnen, treffen“, das semantische ebenfalls in den Frame „Begrüßung“ passt (vgl. beispielhaft für die Elemente des Frames Tichy 1976 zum Griechischen). Weiter zugehörig ist das griechische Verbum δέχεσθαι (dékhesthai) „empfangen (auch übertragen auf Gegenstände)“, sowie „feindlich empfangen“. Eine homerische Textstelle zeigt allerdings eine andere Bedeutung. In der Ilias 19, 290 heißt es: ὥς μοι δέχεται κακὸν ἐκ κακοῦ ἀιεί (hṓs moi dékhetai kakòn ek kakoû aieí) „so folgt mir immer Übel auf Übel“. Ähnlich ist ein Vers aus Hesiods Theogonie (V. 800) einzuordnen: ἄλλος δ’ἐξ ἄλλου δέχεται χαλεπώτερος ἆθλος (állos d’ex állou dékhetai khalepṓteros âthlos) „es folgt ein Kampf auf den anderen, ein noch schwererer“. In beiden Fällen weist das Verb nicht die sonst übliche transitive Verwendung auf. Es ist vielmehr intransitiv und bedeutet „folgen, in einer Abfolge stehen“. Beide Belege werden im LfgrE s.v. δέχομαι (dékhomai) jedoch nur mit Blick auf die Metrik analysiert. Hier könnte nun die Wurzel *dek(u̯)- vorliegen; die Aspiration wäre der Kontamination geschuldet. Welche Primär- und Sekundärbildungen sind aber dieser Wurzel zuzuordnen? Das gerade angeführte δέχεται (dékhetai) – mit sekundärer Aspiration nach δέχομαι (dekhomai) „empfange“ – kann Primärbildung, d.h. ein einfach thematisches Verb *dek-e/o-, sein. Das Griechische schließt damit einen Wurzelansatz auf Labiovelar aus. Von den griechischen Verbalformen könnte ferner das Kausativum δοκεῖ (dokeî) „scheint (gut)“ hierhergehören, bildungsgleich sind heth. dākki, takkanzi „gleicht, gleichen“ (z. B. KBo 26.69 + (RS 4, 36): [nu-wa-aš]-ši NÍ.TEMEŠḫ[u?-x-x-t]a? DINGIRMEŠ-aš Ú-UL ta-ak-ki „Sein Körper […] entspricht nicht (dem) der Götter“ [ed., hethiter.net/:CTH 345.I.1 {TX 2009-08-31, TRde 2009-08-29}]) und lat. docēre „lehren“ (*dok-ei̯e/o-). Dabei spricht auch das Lateinische gegen einen Labiovelar. Hinzu kommen lat. decet „ziemt sich“ (vielleicht aus *dek-h1i̯e-), decus, ‑ōris n. „Zierde, Würde“ (aus *dekos-) u. a. Auch die germanischen Wörter können hier angeschlossen werden, des Weiteren air. dech „bester“ (< urkelt./uridg. *deko-) und als Sekundärwurzel *deks-, eine mögliche Abstraktion aus einem Desiderativ. Grundbedeutung für die Wurzel *dek- wäre so „(in Reihe) ordnen“, für das Kausativum *dok-ei̯e/o- *„ordnen lassen“, für das Essivum *dek-h1i̯e- *„geordnet sein“ und für das Desiderativum *dek-se/o- „ordnen wollen“. Der Bedeutungswandel beim Kausativum zu „lehren“ lässt sich folgendermaßen erklären: *„jemanden etwas ordnen lassen“ > *„jemanden etwas in eine logische Reihenfolge bringen lassen“ (vgl. dazu doctus in der Bedeutung „schlau, listig“, die bei Plautus häufiger belegt ist, z. B. Pseudolus 2, 4, 35) > „jemandem Wissen beibringen, jemanden etwas lehren“. Ferner kommen die Nominalbildungen *dek-e/os- „das Ordnen/das Geordnete > Zierde/Würde“ und *dek-o- „das Ordnen/das Geordnete“ > das Beste“ hinzu.
Das altnordische könnte demgegenüber ein Adjektiv *teχ-u̯a/ō- „durch Ordnung charakterisiert“ fortsetzen, das dann substantiviert wurde. Aus all dem ergibt sich, dass im Deutschen der Bedeutungswandel von „Reihe, Ordnung“ zu „Umlage (beim gemeinsamen Mahl)“ und „Gemeinschaft (zu einem bestimmten Zweck)“ metonymisch über den Frame, der für derartige Gemeinschaften im Mittelalter typisch ist, vor sich gegangen sein muss: Er umfasste eine strenge Ordnung ebenso wie gemeinsame Gastmähler, religiöse Aktivitäten, gegenseitige (finanzielle) Unterstützung und oft auch Hierarchien (vgl. z. B. auch die Etymologien von Gilde, Zunft). Demgegenüber ist die Beschränkung von „Gemeinschaft“ auf „Genossenschaften im Bergbau“ als taxonomische Unterordnung motiviert. Sie ist bereits für das 13. Jh. bezeugt: der wazzirmeister hat die gewalt, sin dinc zu legine in di stat … unde widir uffe die zeche (Wutke, SchlesBergb. I 9, DRW s.v. Ding) „der Wassermeister hat die Macht, seine Gerichtsverhandlung auf die Stadt zu verlegen … und wieder auf die Zeche/die Gemeinschaft der Bergleute“. Diese Entwicklung ist v.a. im ostdeutschen und süddeutschen Raum zu beobachten, wo zudem zeche seit dem 15. Jh. in der Bedeutung „Zunft“ Verwendung findet: tribus, zech, zunft (Aventin bei Schmeller 2 2, 1078, DWb s.v. Zeche).
Die Bedeutung „Wirtshausrechnung“ erklärt sich neben „Geldeinlage für eine Gemeinschaft“ und „Geldbetrag zum Mahl“ als kotaxonomische oder metaphorische Übertragung.

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Autorin: Bettina Bock