Etymologie

Fleiß

Fleiß m. "Eifer, Arbeitsamkeit" ist bereits seit dem 8. Jh. bezeugt: ahd. flīʒ "Kampf, Streit; körperliche Anstrengung; geistige Anspannung; Eifer, Sorgfalt; Übereifer", mhd. vlīʒ, vlieʒ "Beflissenheit, Eifer, Sorgfalt", frnhd. fleisz "Arbeitsamkeit, Eifer, Sorgfalt", änhd. Fleiß "Arbeitsamkeit, Eifer". Dazu gehören asächs. flīt "Streit, Kampf; Eifer" mndd. vlīt"Schnelligkeit, Eifer; Sorgfalt, Fleiß", mndl. vlijt "Schnelligkeit, Eifer; Sorgfalt, Fleiß; Lust", nndl. vlijt "Fleiß, Sorgfalt", aengl. flīt "Kampf, Wettkampf, Streit". Die ursprüngliche Bedeutung liegt noch der Phrase etwas mit Fleiß tun "etwas mit Absicht tun" sowie in den Verben sich befleiß(ig)en "sich um etwas bemühen" vor. Ein starkes Verb ist ahd. flīʒan (Prät. fleiz, Pl. fliz(z)un, Part. gi-fliz(z)an) "kämpfen, streiten, sich körperlich und geistig anstrengen", mhd. vlīʒen "eifrig sein, sich bemühen", asächs. (and-)flītan "sich bemühen, nach etwas trachten", mndd. mndl. vlīten "sich bemühen, streben", aengl. flītan "streiten, zanken". Ein Rest des starken althochdeutschen Verbs ist im Partizip beflissen "eifrig, emsig" bis ins Neuhochdeutsche bezeugt. Die Belege erweisen eine urgermanische Wurzel *fleit- (> *flīt-) / *flait- / *flit- etwa "kämpfen, streiten; streben (nach), sich bemühen".
Diese urgermanische Wurzel setzt eine urindogermanische Bildung *pleid- / *ploid- / *plid- fort, die eine Parallele in kymr. llwydd-aw (< uridg. *pleid-) "sich bemühen, anstrengen, sich beeilen; zum Gedeihen bringen, Erfolg haben" hat (Kroonen 2013: 147; Schumacher 2004: 521f.; Seebold 1970: 199f.). Die in EWA III: 397f. angeführte Möglichkeit einer Verbindung mit uridg. *(s)plei- "spalten", das mit d-Erweiterung in nhd. spleißen < uridg. Transponat *spleid- vorliegt, ist schwierig, da ein semantischer Wandel von "spalten" > "sich anstrengen, streiten" bisher nicht durch Parallelen gestützt werden kann.
Die dem Germanischen und dem Keltischen zugrunde liegende Wurzel *pleid- bedeutete "sich anstrengen, sich bemühen, streben"; in beiden Sprachen ist diese Grundbedeutung noch vorhanden. Im Germanischen entwickelte sich daneben im Kontext des (Wett-)Kampfes die Bedeutung "streiten, kämpfen" (eine semantische Parallele ist etwa aind. spardh-, das sowohl "sich anstrengen" als auch "sich im Wettkampf messen, miteinander streiten" bedeutet, PW s.v. spardh-), im Kymrischen dagegen geriet das Ergebnis des "Sich-Anstrengens" in den Fokus und ergab so die Bedeutung "Erfolg haben, zum Gedeihen bringen" (eine semantische Parallele hierfür ist etwa aind. iṣ- "antreiben, sich beeilen" > "gedeihen (lassen)", PW s.v. iṣ).

Literatur:
Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm 1854–1954: Deutsches Wörterbuch. Bd. 1–16 (und Quellenverzeichnis, 1971). Leipzig: Hirzel. (Nachdruck der Erstausgabe 1999: Bd. 1–33) München: Deutscher Taschenbuch-Verlag. Auch als CD-ROM 2004: Der digitale Grimm. Frankfurt am Main: Zweitausendeins. Auch unter: www.woerterbuchnetz.de.
Karg-Gasterstädt, Elisabeth u.a. 1952–: Althochdeutsches Wörterbuch. Auf Grund der von Elias von Steinmeyer hinterlassenen Sammlungen im Auftr. der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig bearb. von Elisabeth Karg-Gasterstädt und Theodor Frings. Bd. 1–. Berlin: Akad.-Verl.
Kluge, Friedrich 2011: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Begr. Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 25., durchges. und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter.
Köbler AhdWb = Köbler, Gerhard: Althochdeutsches Wörterbuch, 4 Auflage, online unter http://www.koeblergerhard.de/ahdwbhin.html.
Kroonen, Guus 2013: Etymological Dictionary of Proto-Germanic, Leiden-Boston: Brill. 
Mittelhochdeutsches Wörterbuch. Mit Benutzung des Nachlasses von Georg Friedrich Benecke ausgearbeitet von Wilhelm Müller und Friedrich Zarncke. 3 Bde. Leipzig 1854-1866. Online auch unter http://woerterbuchnetz.de/BMZ/
Matthias Lexer: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. 3 Bde. Leipzig 1872-1878.
Pfeifer, Wolfgang (Hg.) 1993: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2 Bde. 2., durchges. u. erg. Aufl. Berlin: Akad. Verl.
PW = Otto Böhtlingk / Rudolf Roth, Großes Petersburger Wörterbuch, online unter http://www.sanskrit-lexicon.uni-koeln.de/scans/PWGScan/2013/web/index.php.
Schumacher, Stefan 2004a: Die keltischen Primärverben. IBS 110, Innsbruck. 
Seebold, Elmar 1970: Vergleichendes und etymologisches Wörterbuch der germanischen starken Verben. The Hague: Mouton.

Autorin: Sabine Ziegler